KontroverseWer hat Angst vorm Nationalpark?

© Tourismus Zweckverband "Im Tal der Murg"
© Tourismus Zweckverband "Im Tal der Murg"

In Baden-Württemberg wehren sich Bürger gegen ein geplantes Schutzgebiet. Wieso eigentlich? Es könnte doch ein Aushängeschild für die Region werden – sollte man meinen …

Verwundert entfuhr es Winfried Kretschmann (Die Grünen) neulich: „Ich will doch keine Heroinfabrik bauen!“ Anlass für die Bemerkung des Ministerpräsidenten war der heftige Wi­derstand – nach Stuttgart 21 – gegen ein weiteres Großprojekt im Ländle: Im idyllischen Nordschwarzwald soll der erste Nationalpark Baden-Württembergs entstehen. Es geht um 0,7 Prozent der Waldfläche. Naturschutzverbände wie der Nabu schwärmen bereits von einer neuen Artenvielfalt, von einer Heimat für Luchs, Dreizehenspecht und den seltenen Ziegenmelker. Zudem werde der Park ein Magnet für Touristen sein, freut man sich.

Kritiker – neben Holzfirmen auch Bürger einiger Gemeinden – halten vehement dagegen: Die Kosten seien enorm, die Chancen spekulativ, die Risiken groß. So könne etwa der gefürchtete Borkenkäfer ganze Waldflächen kahl fressen und tote Baumstümpfe hinterlassen, wenn er nicht bekämpft werden dürfe. Eine reale Gefahr, wie sich zum Beispiel im Nationalpark Bayerischer Wald mancherorts beobachten lässt (wenngleich dort langsam wieder ein junger Mischwald gedeiht). Zudem müssten die Bürger mit Traditionen brechen: Pilze und Beeren dürften in den Schutz­zonen nicht mehr gesammelt und Wege nicht mehr betreten werden.

Umweltpsychologin Anke Blöbaum sieht in solchen alten Gepflogenheiten einen Grund für den Widerstand gegen den Park: „Wer schon als Kind durch den Wald gestromert ist und dort Schönes erlebt hat, darf da nun möglicherweise nicht mehr hin. Solche Erinnerungen aber sind sehr prägend für das Naturverständnis der Menschen.“ Hinzu kämen ungute Gefühle: Da wird etwas entschieden, man weiß nicht, was dann passiert und kann es auch nicht beeinflussen. Blöbaum: „Das führt automatisch zu Protesten.“ Und die Psychologin nennt noch einen weiteren Grund: „Die meisten Menschen sind es gewohnt, in Kulturlandschaften zu leben und Natur in irgendeiner Form zu kontrollieren.“ Heißt: Viele mögen eine gestaltete Wildnis aus Feld, Wald und Wiesen. Die Natur aber ist anders: wild, unaufgeräumt und manchmal eben auch zerstörerisch, mit Landstrichen voller toter Bäume. So wäre ein Pro für den Nationalpark letztlich auch die Entscheidung dafür, die Natur sich selbst zu überlassen …

 

Text: Olaf Heise

Weitere Infos

Die jeweiligen Argumente für und gegen den Nationalpark in Baden-Württemberg findet man auf unser-nordschwarzwald.de (Bürgerinitiative) sowie auf der Seite nationalparknordschwarzwald.de

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