City TripDas Amsterdam der Insider

© Mark Read
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Fünf Einheimische (vom Kurator bis zur Kapitänin) verraten ihre Lieblingsplätze in der niederländischen Hauptstadt. Ein besonderer Streifzug durch eine der schönsten und inspirierendsten Metropolen Europas.

Hochprozentiges

"Wer nach Amsterdam kommt, muss unbedingt einmal Genever probieren", ist Angelique Maters Standpunkt. Die Spirituose, bei der Wacholder gleichzeitig als Hauptzutat und Namensgeber dient, ist seit Jahrzehnten beliebt. Aus der Urform entstand später auch ein anderer weltbekannter Drink auf Wacholder-Basis, der Gin. Die beiden direkt zu vergleichen wäre jedoch so, als würde man Whisky und Wodka gegenüberstellen. "Wenn Sie mal eine  sehr umfangreiche Genever-Sammlung bestaunen wollen, sollten Sie an einer Verkostung in einer der zwei noch existierenden Destillerien der Stadt teilnehmen", rät Angelique.

Gesagt, getan: Im nur spärlich beleuchteten Verkostungszimmer von Wynand Fockink biegen sich die Regale unter Reihen an bunten Flaschen. In der Manufaktur, die seit 1679 besteht, zeigt Barmann Thomas Huijgen, wie man den traditionsreichen Tropfen richtig trinkt. Er gießt die Flüssigkeit in ein tulpenförmiges Glas, bis es beinahe überläuft. Dann muss sich der Gast herabbeugen (die Hände liegen dabei auf dem Rücken) und den ersten Schluck abtrinken. "Ein Sprichwort besagt, dass die Niederländer sehr geizig sind. Alles, was verschüttet wird, gilt als Verschwendung", erklärt Thomas. Zum Nachspülen gibt's einen Schoppen Bier, eine Kombination, die sich ,kopstootje' (Kopfstoß) nennt. Die Amsterdamer erfreuen sich auch an einer süßen Spezialität - Likör, der hier ebenfalls hergestellt wird. Wie magische Elixiere schimmern die Mixturen und haben mysteriöse Namen: In einem Glas leuchten die "Tränen der Braut", ein Orangenlikör mit Gold- und Silberstückchen, der traditionell nach dem Ehegelübde serviert wird. Angelique nippt am liebsten an einer pinkfarbenen Flüssigkeit namens "Rose ohne Dornen". Um mit der schnelllebigen Trinkkultur der Stadt Schritt zu halten, arbeitet man in der Destillerie eifrig an neuen Kreationen, z. B. mit Lakritz und Banane als Zutat.

Angeliques Ausgehtipp heißt Roest, Café, Pub und Strandbar in einem, die so aussieht, als sei sie von einer tropischen Insel direkt in Amsterdams Industrieviertel im Osten verfrachtet worden. "Immer öfter werden alte Fabrikgebäude zu trendigen Restaurants und Bars umfunktioniert", erzählt sie. Wenn Pool-Partys stattfinden, kommt das Szene-Volk mit Blumenketten über dem Hawaiihemd und trinkt, lässig in Hängematten liegend, Bier. An der futuristischen Bar im Inneren werden leckere Cocktails gemixt.

Kunstschätze

Einer von Pieter Roelofs' Lieblingskunstorten neben seinem Arbeitsplatz, dem Rijksmuseum, ist das Tassenmuseum Hendrikje. Hier dreht sich alles nicht etwa um die Tasse, sondern um die Tasche (auf Niederländisch: tas). Mit über 4000 Exemplaren ist es die weltgrößte Sammlung, darunter ein 500 Jahre alter Lederbeutel, aufwendig bestickte Börsen zur Aufbewahrung von Liebesbriefen, eine original Hillary-Clinton-Handtasche in Katzenform oder der berühmte Cupcake-Beutel von Judith Leiber aus dem Film "Sex and the City". Entstanden ist das Museum mehr oder weniger zufällig. Der Besitzer Hendrikje Ivo fing hobbymäßig an, Taschen aller Art zu sammeln. Roelofs zieht es selbstverständlich zu den Stücken aus dem 17. Jahrhundert, verziert mit Perlen und Silber. "Hier sieht man, wie unglaublich reich die Menschen in dieser Epoche waren - nicht ohne Grund wird sie als ,Goldenes Zeitalter' bezeichnet."

Nur wenige Straßen entfernt kann man noch heute das komplett erhaltene Anwesen einer dieser betuchten Familien bestaunen: das Museum Van Loon. Hier warten erlesene Möbel und prachtvolle Stoffe neben bizarrem Interieur wie versteckten Bibliotheken und Scheintüren. Von außen kaum zu erahnen, liegen im Hinterhof penibel angelegte Gärten, wo man zwischen üppigen Rosensträuchern und symmetrischem Grün den Tee zu sich nahm. "Das ist wie ein Spaziergang durch die Vergangenheit", sagt Roelofs. "Das Schöne an Amsterdam ist, dass man hier überall historische Kunst findet. Man muss dazu nicht unbedingt in klassische Museen gehen. Selbst unsere Kanäle sehen noch immer so aus wie vor 400 Jahren. Und auch das 'Van Loon' nimmt seine Besucher mit auf eine faszinierende Zeitreise."

Eine Location, die moderne Artfans ansteuern sollten, ist die Westergasfabriek. In dem heruntergekommenen Gaswerk finden Musik-, Film-, Theater- und Kunstvorstellungen statt. "Es ist spannend zu sehen, dass sich einer der schmutzigsten Orte Amsterdams jetzt zu einem kulturellen Zentrum entwickelt", so Roelofs. An warmen Sommerabenden strömen die Massen zu Festivals, an anderen Tagen sitzen die Menschen bei Pizza und Bier vor dem Gebäude. Sogar im Park rund um die Fabrik stehen Kunstwerke wie das XXL-Tisch- und Stuhl-Ensemble von "Projekt Stadshout".

Den vollständigen Artikel mit den Lieblingsplätzen von Rad-Guide Pete, Kapitänin Willemijn und Restaurantchefin Yvette finden Sie in der März-Ausgabe des Lonely Planet Traveller.

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Text: Sophie McGrath, Deutsche Bearbeitung: Alina Halbe, Titelbild: Mark Read

Angelique Mater

Barkeeperin

Der holzverkleidete Innenraum des Lokals „In ’t Aepjen“ steht voll mit antiken Flaschen, Bildern und Fässern. An kleinen Tischen sind Gäste ins Gespräch vertieft. Eine Handvoll älterer Herrschaften sitzt an der Bar und plaudert mit Angelique Mater. „Ich bediene, höre zu und habe Spaß mit den Leuten“, sagt sie. Angelique arbeitet in einem der traditionsreichsten Pubs Amsterdams. Die Lokale werden wegen der dunklen Holzmöbel und der vom Zigarettenqualm vergilbten Wände von den Einheimischen auch „braune Cafés“ genannt. Das „In ’t Aepjen“, untergebracht in einem der letzten zwei erhaltenen historischen Holzhäuser in einer der ältesten Straßen der Metropole, war im 16. und 17. Jahrhundert berüchtigter Treffpunkt für Seeleute. Wer kein Bargeld dabei hatte, bezahlte mit „exotischen Schätzen“ wie Papageien oder Affen. Was als Spaß zwischen Bar- und Seemann begann, wurde Ernst: So hausten zeitweise Tiere im Pub, und die Bar kam zu ihrem Namen „In ’t Aepjen“ (etwa: „Zum Äffchen“). Während Angelique die Theke poliert, sagt sie: „Das Schönste ist für mich, wenn die Gäste mit einem Lächeln gehen. Und wenn sie wiederkommen, ist das ein großes  Kompliment.“

Pieter Roelofs

Kurator am Rijksmuseum

Die Ehrengalerie des Rijksmuseums ist an diesem Tag gut besucht. Am Ende der kuppelförmigen Ausstellungshalle drängt sich eine Menschentraube um Rembrandt van Rijns berühmtes Werk „Die Nachtwache“. Das Gemälde ist das Glanzstück des Museums, das nach Renovierungsarbeiten nun wieder eröffnet wurde. „Man hat das Gebäude um dieses Bild herum konzipiert. Es wird hier wie auf einem Altar ausgestellt“, erklärt Peter Roelofs. Als Kurator für niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts ist er für etwa 3500 Werke verantwortlich, der Kern der Sammlung umfasst 800 Jahre. „Für mich als Kunstliebhaber ist hier der beste Arbeitsplatz der Welt“, sagt er. Im Fokus stehen Werke aus der Zeit, als die Niederlande den Welthandel mitbestimmten und der Reichtum der Wohlhabenden in die Kunst floss. „Kaum vorstellbar, dass die 1,5 Millionen Menschen im 17. Jahrhundert zwischen sechs und zehn Millionen Gemälde hervorgebracht haben“, sagt Roelofs. „Das war revolutionär und ist bis heute beispiellos. Kunst entstand überall, auch ein Küchenmädchen wurde zum Motiv. Mir gefällt die Idee, aus Alltäglichem etwas Unvergängliches zu machen.“

Das Wichtigste

Hinkommen

Mit dem Europa-Spezial geht's aus Deutschland ab ca. 39 € per Zug nach Amsterdam (bahn.de). Ab Wien fliegt Austrian Airlines (austrian.com), ab Zürich Swiss (swiss.com) in die Metropole.

Herumkommen

Amsterdams Innenstadt lässt sich zu Fuß oder mit dem Rad erkunden (starbikesrental.com, geführte Touren und Verleih auch mit mikesbiketours.com). Bequemer geht's mit der Straßenbahn, die gemächlich durch die Stadt ruckelt (Tagesticket ca. 7,50 €, gvb.nl).

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