Wandern auf Mallorca17°C, heiter bis sonnig

Lust auf Frühlingsgefühle mit einer riesigen Portion Frischluft und Sensationsaussichten? Dann auf zum Nordwesten der Baleareninsel und hineingewandert ins atemberaubende Tramuntana-Gebirge

Schön der Wärme entgegen

Die erste Wanderetappe beginnt in Es Capdellà und folgt dem Weg GR221 zur Finca de Galatzó. Von dort windet sich der Pfad einen Pass hinauf, ehe er durch einen Pinienwald hinab nach Estellencs führt (ca. 11 km, fünf Stunden). Da ab hier der Weg teils gesperrt ist, geht es per Bus nach Banyalbufar.

Herrlich, die Sonne spielt mit. Wie eine überdimensionierte  Wärmelampe hängt sie am strahlend blauen Himmel und vertreibt die kühle Morgenluft. Während sich im Norden Europas noch alle durch das Ende des Februars bibbern, spazieren wir bei wohltemperierten 17 °C  durch die Landschaft Mallorcas. Frischluftwellness für Körper, Seele und die Sinne. Hier umweht ein zauberhaft süßer Blumenduft die Nase, dort schmücken Mandelbäume die Wiesen mit ihren jetzt zart rosa blühenden Baumkronen. „Kaum zu glauben, dass noch Winter ist, oder?“, fragt Jesca begeistert, als wir nach einem guten Frühstück mit Montaditos (spanischen Sandwiches) und jeder Menge Cafe con leche langsam das Bergdorf Es Capdellà hinter uns lassen. „Zu dieser Jahreszeit hierher zu kommen, ist einfach das Beste!“ Jesca ist eine eingefleischte Mallorca-Kennerin und führt seit mehr als zehn Jahren Wanderer durch die Serra de Tramuntana. Das wildromantische Gebirge an der Nordwestküste ist das schönste Trekkingareal der ganzen Insel. Fröhlich marschieren wir los

Die nächsten vier Tage werden wir auf der Ruta de Pedra en Sec, der Route der Trockensteinmauern, unterwegs sein. Über rund 150 Kilometer schlängelt sich der Fernwanderweg auf alten Maultierpfaden den Höhenzug entlang. „Auf der Route liegen die charmantesten Orte der Insel“, verspricht Jesca, „die Natur ist atemberaubend und man erfährt unterwegs viel über die Geschichte.“ Das macht neugierig.
Nach gut einer Stunde Marsch erreichen wir die Finca Galatzó, ein altes arabisches Landgut mit Ölmühle und Pferdeställen. Das Anwesen stammt noch aus der Zeit der Mauren, die zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert auf Mallorca herrschten. An den umliegenden Hängen sieht man noch heute die Steinterrassen ihres Bewässerungssystems. Diesen Trockensteinmauern begegnet man hier auf Schritt und Tritt. Die Araber haben sie einst errichtet. Sie brachten auch die Orangen, Zitronen und Mandeln mit, die auf den Terrassen angebaut wurden und der mallorquinischen Küche eine feine orientalische Note verleihen.

Hinter der Finca durchqueren wir ein schattiges Tal mit einem knorrigen Steineichenwald. Was ist das, bitte?! Zwischen den Bäumen ducken sich kleine runde Geröllhaufen mit einem dunklen Einstiegsloch drin. Oben drauf thronen wie Zipfelmützen Dächer aus Gras. Sind wir plötzlich in Hobbithausen angelangt? „Haha, nein“, lacht Jesca, „das sind alte Köhlerplätze.“ Noch bis in die 1920er-Jahre war Holzkohle der wichtigste Brennstoff auf Mallorca. Mitunter arbeiteten ganze Familien in den Wäldern und brannten Kohle. Ein hartes Leben!
Am Mittag scheint die Sonne schon ganz angenehm warm auf die Haut.  Zu Hause sind‘s dagegen gerade minus 2 °C, meldet der Wetterdienst im Handy. Dazu grauer Himmel und Schneegeriesel. Ein Hauch von Schadenfreude schleicht sich bei uns ein... Der Wald ist mittlerweile in eine struppige Macchia aus Rosmarin und Thymian übergegangen. Wir wandern unterhalb des Gipfels des Puig de Galatzó, dem südlichsten Tausender der Tramuntana. Nach alpinen Maßstäben ist er ein Zwerg, aber wir sind nah am Meeresspiegel, da wirken die Berge spektakulär wie Zweitausender. Auf der Ebene entfalten die ersten Wildsträucher zarte lila Blüten. „Im April explodiert die Landschaft geradezu“, erzählt Jesca. „Dann ist alles mit einem bunten Teppich aus Mohnblumen und Affodille überzogen.“

Auf der Passhöhe sehen wir endlich das Meer: Blau glitzert es weit unten in der dunstigen Winterluft. Was für ein schöner Anblick! Die Silhouette einer Hotelanlage wirkt in dieser Kulisse wie ein Bauklötzchen. An der Nordflanke der Tramuntana ist das Klima feuchter. Ein moosiger Pfad führt durch einen kühlen Pinienwald. Wir folgen dem alten Weg der Köhler zum Markt in Estellences. Hier ist Schluss für heute mit dem Wandern. Per Bus zuckeln wir zu unserem ersten Übernachtungsstopp in Banyalbufar und freuen uns jetzt auf ein deftiges Abendmahl und einen herrlich entspannten zweiten Tag – mit allerlei kulinarischen Überraschungen!

Señoras Leckereien

In Banyalbufar einen Tag Pause einzulegen, lohnt sich: Man kann den Ort entdecken und feinste mallorquinische Küche samt der lokalen  Weine probieren. Gegen Nachmittag setzt man sich dann in den Bus nach Valldemossa, das etwa 16 Kilometer östlich liegt (der GR221 ist auf diesem Abschnitt geschlossen).

Banyalbufar klebt oberhalb einer Klippe und wirkt wie eine Art dorfgewordener Baumkuchen. In unzähligen Terrassen schichtet sich der hübsche Ort den Berg hinauf. Das Haus von Señora Francisca ist direkt an eine Felswand gebaut. Als wir am Abend zuvor in der Hotelbar über mallorquinisches Essen plauderten und die Mandel darin im Speziellen, fiel umgehend ihr Name: „Ihr müsst unbedingt mit Francisca sprechen, sie ist eine sensationelle Köchin,“ verriet uns ein Kellner. Ob die Señora denn nichts Wichtigeres zu tun hätte, als wildfremde Leute zu empfangen? „Nein, nein, sie liebt Besuch!“
Natürlich hat der Dorffunk bestens funktioniert. Freudestrahlend und im weißen Kittel bug-siert uns Francisca schnurstracks in ihre Küche, als hätte sie unsere Ankunft seit Tagen erwartet. Gerade bereite sie eine Coca de Turrón zu, eine Süßspeise aus Mandeln, Orangen, Honig und Eiklar. „Oh ja, ich liebe Mandelgerichte“, erzählt sie. „Die Araber waren raffinierte Köche. Wir haben ihnen viel zu verdanken: Buñuelos (frittierte Teigbällchen), Garapiñados (süß ummantelte Erdnüsse) und in den Gerichten die Rosinen sowie Gewürze wie Safran.“ Oder Seehecht mit Röstmandeln. „Den habe ich gestern erst für meine Tochter Isabel und mich gekocht.“

„Auf unserer Insel“, erzählt Señora Francisca gut gelaunt weiter, während sie Mandeln und etwas Saft hingebungsvoll in eine cremefarbene Paste rührt, „wachsen mehr als 150 Mandelsorten. Sie sind viel süßer und geschmackvoller als die Einheitsmandeln, die Sie im Supermarkt bekommen.“ Nur leider lohne sich der Anbau für die Bauern immer weniger, seitdem die kalifornischen Steinfrüchte den Markt überschwemmen. An der Westküste der USA werden sie auf riesigen Plantagen angebaut und industriell geerntet. Das ist auf den kleineren Ländereien Mallorcas kaum möglich. Sogar der Klimawandel macht dem Baum inzwischen zu schaffen. Ist das Wetter zu mild, treiben die ersten Blüten mitunter bereits im Dezember aus. Die Winterstürme fegen sie dann von den Zweigen und die Ernte ist hinüber.

Francisca verteilt jetzt geschwind kleine Portionen der Mandelcreme auf runde Oblaten, bestreicht sie hauchfein mit Cabello del Àngel (eine Kürbiskonfitüre namens Engelshaar) und legt eine weitere Oblate darauf. Dann dippt sie die Finger in Orangensaft und versiegelt vorsichtig die Ränder. „Die könnt ihr als Wanderproviant mitnehmen“, sagt sie. Wie nett. Ob Señora uns wohl noch ein paar Geheimtipps aus der mallorquinischen Küche verrät? „Aber gern! Probiert unbedingt Arròs Brut, einen deftigen Eintopf aus Reis, Huhn, Kaninchen, Safran und Gemüse. Und vorab geröstetes Landbrot, das traditionell mit dem Mark einer Remallet-Tomate abgerieben wird. Dazu gibt es einen Hauch Knoblauch, etwas Olivenöl und Salz. Köstlich!“ – Danke, Señora, bis zum nächsten Mal!
Wenig später. In der kleinen Bucht von Banyalbufar schwappen die Wellen träge an den schmalen Kiesstrand. Die Luft riecht nach Salz, das Meer ist so glasklar, dass man jeden Kieselstein am Grund erkennt. Weit und breit kein Mensch. So einsam erlebt man die Insel nur im Winter. Wir sitzen auf einem Felsen in der Sonne, essen genüsslich Franciscas Coca de Turrón – und wollen nirgendwo anders sein auf der Welt.

Text: Charlotte Hobson, deutsche Bearbeitung: Olaf Heise, Titelbild: Andrew Montgomery

Die vollständige Reportage zum Frühlingstrip über die Baleareninsel Mallorca finden Sie in der März-Ausgabe des Lonely Planet Traveller.

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Das Wichtigste

Hinkommen

Fast alle Fluggesellschaften fliegen von großen Städten Palma de Mallorca an. Swiss (swiss.com) zum Beispiel ab Zürich, TUIfly (tuifly.com) ab Frankfurt a. M. und Air Berlin (airberlin.com) ab Wien.

Herumkommen

Mallorca verfügt über ein gutes Netz an Wander- und Radwegen. Wer Tagestouren unternimmt, fährt ab dem Flughafen am besten mit dem Mietwagen zum Ausgangsort. Busverbindungen findet man unter tib.org, im beschriebenen Gebiet verkehren die 100er- und 200er-Linien.

Buch- und Webtipps

Reichlich Infos zu Hotels, Wandertouren und vieles mehr bieten der Lonely-Planet-Reiseführer „Mallorca“ (Mair-Dumont, 14,99 €, hier) sowie die Website infomallorca.net.

Mallorca zu Fuß

Mit ihrer abwechslungsreichen Landschaft und den historischen Pfadenist die Baleareninsel ein erstklassiges Wanderziel. Der Fernweg GR221 entlang des Tramuntana-Gebirges zählt zu den besten Trails in Europa.
Auch die Küstenroute am Cap Formentor, dem felsigen Nordzipfel von Mallorca, ist als Trekkingrevier sehr beliebt, ebenso der Parc Natural de la Península de Llevant, der durch Pinienwälder und zu entlegenen Sandstränden führt.
Die beste Zeit zum Wandern ist von Februar bis Juni sowie von September bis November.
Die Mandelblüte reicht gewöhnlich von Ende Januar bis Ende Februar.
Gutes Kartenmaterial bieten die Touristeninformationen und Buchläden vor Ort, Infos zu Wanderherbergen (Refugis) in der Tramuntana und auf den Etappen des GR221 finden Sie unter conselldemallorca.net. Für Tageswanderungen ist Sóller ein guter Ausgangsort. Mehrtägige geführte Touren kann man bei Tramuntana Tours (tramuntanatours.com) oder bei Wikinger Reisen (wikinger-­reisen.de) buchen.

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