SardinienAb ins Meer oder in die Berge?

Cala Goloritzè © Anders Schønnemann
Cala Goloritzè © Anders Schønnemann

Auf Sardinien können Sie sich diese Urlaubsfrage täglich stellen, denn hier gibt’s zweimal Ferien in einem! Wir hefteten uns an die Fersen eines Fischers und eines Hirten und ließen uns die schönsten Flecken von Italiens zweitgrößter Insel zeigen. Bellissimo!

Als das Flugzeug durch die Wolken sticht, sind wir über Olbia, an der Nordostküste Sardiniens. Unter uns liegt das Mittelmeer, eine riesige, azurblaue Tischdecke mit kleinen, weißen Punkten darauf: Fischerboote, die ihren Tagesfang zu den Häfen bringen. Das Pünktchenmuster endet in einer sanft gewellten Bordüre, Sardiniens Küstenlinie, die mehr Buchten hat,  als man zählen kann. Und als wäre diese Landschaft allein noch nicht perfekt genug, schneiden die scharfen Kanten des Supramonte-Gebirges wie eine Haifischflosse mitten durch die Insel. Irgendwo zwischen den schroffen Felsen hüten ein paar Hirten ihre Schaf- und Ziegenherden. Sie leben dasselbe einsame und karge Leben wie schon ihre Großväter und Urgroßväter. 

Die Geschichte von Italiens zweitgrößter Insel hat, wenn man so will, ebenfalls eine Tradition: Eroberungen und Besatzungen ziehen sich durch alle Jahrhunderte. 1800 vor Christus fiel das mysteriöse Volk der Nuraghen in das rund 24.000 Quadratkilometer große Terrain ein. Es folgten die Phönizier und Karthager, die Römer, germanische Vandalen, Byzantiner, Pisaner, Genuesen und schließlich die Spanier. Bis Sardinien 1861 endlich Teil eines geeinten Italiens wurde. Die strategisch günstige Lage im Mittelmeer machte das Eiland zur begehrten Beute. Ihre Bewohner jedoch zeigten sich stets genauso unbeugsam wie die Natur im Landesinneren. Das Essen und der Dialekt – beides sind Beweise für den fast halsstarrigen Individualismus, der bis heute zu spüren  ist. Die Fischer und Hirten, ihre archaische Arbeit und ihre Produkte prägen Sardiniens einzigartige Esskultur, die man strikt unterteilt: An der Küste speist man Fisch, im Landes­inneren Fleisch. Crossover? Kommt hier nicht in den Topf, basta! Die Sarden sind stolz auf diese klare Trennung. Wer die Landschaft erkundet, entdeckt die Eigenarten der Küche zwangsweise gleich mit. Und umgekehrt.

Es ist fünf Uhr morgens. Der Motor der „Sparviero“, ein zweckmäßiger Fischerkahn, knattert und schnauft sich ins Leben. Der Hafen von Villasimius ist in Dunkelheit gehüllt.  20 Meilen östlich der Hafenstadt Cagliari am südlichen Ende der Insel war Villasimius früher nur eines von vielen kleinen Fischerdörfern. Doch seine Lage und die geschützte Anlegestelle lockten die Yachten der Schönen und Reichen genauso an wie die Fiats und Lancias der Normalsterblichen. Heute ist der Ort ein florierendes Touristenzentrum, aber zum Glück weit entfernt vom trubeligen Jetset an der Costa Smeralda im Norden, wo Flavio Briatore in Porto Cervo einst seinen „Billionaire Club“ gründete. 

Silverio Sandolo steuert die „Sparviero“ hinaus ins klare Wasser, vorbei an den schlafenden Mega-Cruisern, den gepflegten Privatyachten und den Fischerbooten. Als wir die schützenden Mauern des Hafenbeckens verlassen, weht uns eine kühle Morgenbrise um die Nase. Es geht östlich an  der Küstenlinie entlang, die undeutlich sichtbar wird: ein kaum wahrnehmbarer Schatten, hier und da von einzelnen ­Lichtpunkten unterbrochen. Unser „Capitano“ ist einer von zehn Fischern in Villasimius. Seinen Fang verkauft er auf  dem Fischmarkt in Cagliari oder direkt an die umliegenden Restaurants. Die Fischer halten eine jahrhundertealte Tradi­tion aufrecht, die heute wie damals in ähnlicher Form auf den Tellern landet: gefüllte Miesmuscheln, marinierte Anchovis, Tintenfischsalat, frittierte Seeanemonen, Garnelen mit Cannellini-Bohnen und Linguine mit Langusten. Gerichte, die ohne viel Chichi glänzen, allein durch frische, pure Zutaten.

Text: Matthew Fort, Deutsche Bearbeitung: Miriam Collée , Titelbild: Anders Schønnemann

Lesen Sie die ganze Reportage mit Informationen zur Hauptstadt Sardiniens Cagliari und dem Supramonte-Gebirge in der Oktober-Ausgabe des Lonely Planet Traveller.

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Das Wichtigste

Hinkommen

Alitalia (alitalia.com) fliegt ab Frankfurt a. M. via Mailand nach Cagliari. Nonstop geht’s ab Frankfurt/Hahn mit Ryanair (ryanair.com), ab Wien mit Austrian (austrian.com) und ab Zürich mit Air Berlin (airberlin.com) oder Edelweiss (edelweissair.ch). 

Herumkommen

Am besten mietet man sich vor Ort ein Auto. Zug­ver­bindungen sind verlässlich, aber langsam. Im Sommer sorgt der „Trenino Verde“ für Nostalgie. Die Diesellok aus den 50ern tuckert von Olbia bis Cagliari (ca. 18 €, treninoverde.com).

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Der Lonely-Planet-Reise­führer „Sardinien“ (17,99 €) informiert umfassend. Auch gut: sardegnaturismo.it/de

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