Wenn sich ein Naturliebhaber sein optimales Urlaubsziel basteln könnte, dann sähe es wie Malawis eineiiger Zwilling aus. Der Binnenstaat im Südosten Afrikas – er wird begrenzt von Sambia im Westen, Tansania im Norden und Mosambik im Süden – ist mit ca. 850 Kilometern Länge und ca. 160 Kilometern Breite ein überschaubarer Flecken Erde. Was man zwischen den Grenzen findet, lässt sich mit Fug und Recht als „Naturwunder“ umschreiben.
Über steinerne Hänge tosen eindrucksvolle Wasserfälle. In der Ebene leuchtet das satte Grün der Teepflanzen, die einst von Indien nach Malawi importiert wurden. Gipfel sind mit Flechten behangen, Schluchten von dicken Moosen bewachsen. Über allem thront der 3002 Meter hohe Sapitwa-Gipfel, der höchste Berg Zentralafrikas. Er gehört zum Mount-Mulanje-Massiv, das 29 Kilometer von Osten nach Westen und 24 Kilometer von Norden nach Süden misst, ein Koloss aus Vulkangestein inmitten des Shire-(„Shi-ray“)Hochlands im Süden Malawis, eine Stunde von der Handelsmetropole Blantyre entfernt.
Fährt man gen Norden ins östliche Rift Valley, dem Großen Grabenbruch, erreicht man ein anderes Wildtier-Paradies: den Liwonde-Nationalpark. An seinem Eingang sitzen Hunderte schwarz-weißer Kormorane in den Palmen am Shire-Ufer oder schnappen im Tiefflug nach springenden Fischen über der Wasseroberfläche.
Mit dem Wildhüter David Mkandawire kann man hier zu spannenden Flusssafaris aufbrechen. Geschickt manövriert er sein Motorboot zwischen Nilpferdherden hindurch, die mit aufgerissenen Mäulern Warnlaute hervorstoßen.
Auf der anderen Flussseite suchen rund 20 Elefanten, die die gelben Äste der Fieberakazien umknicken, als wären es Zahnstocher, nach Futter. In dem Reservat leben ca. 1900 Hippos, mehr als 900 Elefanten, ebenso viele Wasserbüffel und an die 2000 Krokodile. „An den Ohren der Elefanten kann man ablesen, was in den Dickhäutern vorgeht“, erzählt David. „Sie sagen ,Willkommen‘, ,Auf geht’s‘, oder ,Ich bin wachsam‘.“
Um die Elefantenpopulation in Liwonde jedenfalls braucht man sich keine Sorgen mehr zu machen: Sie hat sich in den letzten Jahren verdoppelt. Die Herden sind derart gewachsen, dass einige Tiere nach Majete gebracht wurden, um die dortigen Bestände zu erhöhen.
Im Majete-Wildreservat kann man mit Glück die berühmten „Big Five“ erleben . Insgesamt sind mehr als 3000 Tiere auf dem abgegrenzten Areal zu Hause, darunter Hyänen, Zebras, Nilpferde, Leoparden, Antilopen, Elefanten und seit 2012 sogar hier angesiedelte Löwen. Dieser Artenreichtum ist das Ergebnis eines umfangreichen Schutzprogramms. In den 1980er-Jahren waren die großen Säugetiere des Parks beinahe ausgestorben. Elefanten wurden wegen ihres Elfenbeins umgebracht, Nilpferde wegen ihres Fleisches. Nur die Krokodile, die gern an den Ufern des Shire dösen, blieben von den Wilderern verschont.
Auf dem Boden der dunklen Hütte sitzt ein Mann im Schneidersitz. Samen, Pflanzen und Puder hängen in Plastikbehältern von der Decke, Zweige und Knochen lugen aus weißen Säcken auf seinem Bett hervor. Sein Name ist Nkuli Jika. Seit 55 Jahren ist er der traditionelle Heiler des Dorfes. Patienten konsultieren ihn wegen Darmträgheit, Gelbfieber, Unfruchtbarkeit oder auch, weil sie sich mehr Glück und Respekt wünschen. Der Medizinmann ist so beschäftigt, dass er bereits einen Nachfolger ausbildet. An ihn gibt er das Wissen weiter, das ihm schon sein eigener Großvater als kleiner Junge vermittelte.
Nach Berg- und Buschtouren oder zwischendrin lässt es sich am Malawisee herrlich relaxen. Ein Gewässer der Superlative: Diese Quelle des Shire-Flusses liegt oberhalb von Liwonde, tief im östlichen Rift Valley. Mit einer Fläche von mehr als 28.000 Quadratkilometern ist er beinahe so groß wie Brandenburg. Weit wie ein Meer erstreckt er sich über 560 Kilometer bis hoch nach Tansania. Fischadler, das Nationalsymbol Malawis, sitzen in den Bäumen am Ufer und lauern auf Beute. In dem glasklaren Wasser des Sees schwimmen über 450 Fischarten, in Ufernähe baden Otter und suchen nach Nahrung. Viele Reisende steuern die Hotels und Beach Camps der südlichen Buchten Senga, Mangochi, Maclear und Monkey Bay an, verbringen dort entspannte Tage mit Sonnenbaden am Strand, Kanutouren, Schnorchel- und Tauchausflügen.
Das Dorf Kasankha liegt etwa 70 Kilometer entfernt vom Südufer des Lake Malawi. Zu feierlichen Anlässen versammeln sich die Bewohner unter einem schattigen Mangobaum. Trommler geben dumpfe Rhythmen vor. Eine Kreatur mit roter Maske und wildem Stoffetzen-Kostüm tanzt wirbelnd durch den Staub. Es ist der Gule-Wamkulu-Tanz, mit dem die Einheimischen die Geister ihrer Vorfahren beschwören. Das Spektakel ist tief in der Tradition des Chewa-Volkes verankert und darf nur von Männern eines geheimen Zirkels namens "Nyau" ausgerichtet werden. In wilden Kostümen fragen sie die Geister um Rat oder um Schutz, feiern Hochzeiten oder geleiten die Toten in die Welt der Geister.
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