Wo stecken Sie denn gerade?Per Anhalter durch die Luft

Holger Steffens reiste bevorzugt mit Propellermaschinen © Holger Steffens
Holger Steffens reiste bevorzugt mit Propellermaschinen

Mit hochgestrecktem Daumen an der Startbahn? Der Journalist Holger Steffens aus Dortmund hat versucht, als Airtramper bis nach Portugal zu fliegen.

Mein Plan war, in drei Wochen von Dortmund nach Lissabon und wieder zurück zu fliegen – per Anhalter. Anfangs erklärten mich alle für verrückt, aber bei einer reinen Flugzeit von dreieinhalb Stunden schien mir das Projekt realistisch. Im August war ich startklar, dann vergingen zwei Wochen, bis ich in der ersten Maschine saß, nach Karlsruhe. Da ahnte ich, dass es doch nicht so einfach werden würde. Der Grund? Wegen der Sicherheitskontrollen hatte ich auf großen Flughäfen kaum Chancen auf einen Frei­platz. Daher konzentrierte ich mich auf Privatflieger. Erschwerend kam hinzu, dass ich wie bei all meinen Projekten ohne Geld oder Kreditkarte loszog. Um mir eine warme Mahlzeit oder ein Bier zu verdienen, tingelte ich durch Kneipen, habe gespült und geputzt. Kurzzeitig jobbte ich auch bei einem Abfertigungsdienst für Privatjets und schrammelte an der Uferpromenade von Bilbao auf der Ukulele, zumindest so lange, bis die Polizei meine Straßenmusik-Lizenz sehen wollte. Mit etwa fünf bis zehn Euro pro Tag kam ich über die Runden.

Die meisten Leute, die ich unterwegs traf, reagierten positiv auf meine Geschichte. Eines Abends in der Nähe von Le Mans sah es so aus, als müsste ich im Freien übernachten. Doch plötzlich hörte ich Gitarrenmusik, die aus einem Haus drang. Ich klopfte, ein junger Mann öffnete die Tür und nach ein paar erklärenden Worten saß ich auf seiner Couch. Wir hatten einen unterhaltsamen Abend und am nächsten Morgen bekam ich eine Dusche und ein Frühstück.

In Bilbao saß ich vier Wochen fest, weil die Privatfliegerszene dort sehr klein ist. Als mir klar wurde, dass ich es aus Zeitgründen nicht mehr nach Lissabon schaffen würde, war meine Tramper-Ehre ziemlich angekratzt. Aber nach einer Weile dachte ich, dass mich hinterher niemand als Versager sehen würde, nur weil ich nicht weiter als bis Bilbao gekommen bin. Ich verfalle bei Rückschlägen in eine Art Trotzmodus. Dann will ich es allen zeigen, die meine Idee für utopisch halten. Und dann hatte ich Glück: Ich überzeugte die Marketing-Managerin einer spanischen Airline, mir ein Ticket nach Düsseldorf ausstellen zu lassen.

Das klingt zwar nach Happy End, wegen der vielen Misserfolge war diese Tramper-Tour von allen bisherigen aber die anstrengendste. Denn unterwegs ist man eher das Huhn als der Adler. Ich vermisste mein Bett, vor allem als ich auf Europaletten schlief. Mir fehlte die Selbstbestimmtheit, ständig war ich auf andere angewiesen, auch die Flugrichtung konnte ich nicht bestimmen. Rückblickend überwiegen aber der Stolz und die Erkenntnis, dass einem immer jemand weiterhilft. Deshalb habe ich schon die nächste verrückte Idee: Ich will ohne Startkapital und Kreditkarte durch das Ruhrgebiet reisen. Verdienen darf ich jeweils nur einen Euro, mehr Geld anzusparen ist nicht erlaubt. Unmöglich? Mal sehen!

Protokoll: Julia Holzapfel; Titelbild: Holger Steffens

Dieser Artikel ist in der März-Ausgabe des Lonely Planet Traveller erschienen. Dort finden Sie außerdem eine Reportage über Wandern in Mallorca, malerische Orte in der Provence und 10 ultimative Abenteuer in Südamerika.

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Holger Steffens (45) trampte schon per Tan­dem, Motorrad, Schiff und Kutsche. Infos: dertramper.de.

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