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ShikokuAuf Pilgerschaft in einem unentdeckten Teil Japans

Ein Pilger im Tempel Tairyuji © Thomas Siebert

Die Gründe, warum sich Leute dazu entschließen, einen Pilgerweg zu beschreiten, sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Manche tun es, um zu sich selbst zu finden oder aus religiösen Motiven, manche für die Herausforderung oder einfach nur für die körperliche Betätigung. Pilgern kann aber auch ein hervorragender Weg sein, um auf eine ganz besondere Art und Weise Land und Leute kennenzulernen.

Japans bekanntester Pilgerweg ist der Shikoku Henro, auf dem man auf den Spuren des legendären Mönchs Kobo Daishi Kukai wandelt. Er ist einer der wenigen zirkulären Pilgerwege weltweit und führt zu 88 Tempeln und anderen heiligen Stätten rund um die Insel Shikoku, die Kukai im 9. Jahrhundert besucht haben soll. Shikoku, die kleinste der vier Hauptinseln Japans, gilt als Geheimtipp unter Japanreisenden und bietet jede Menge Möglichkeiten, das Land abseits der viel besuchten Touristenzentren zu erkunden.

Was eine Pilgerschaft auf dem Shikoku Henro ebenfalls einzigartig macht, ist die lebendige osettai-Kultur, die besondere Gastfreundschaft, die den Pilgern entgegengebracht wird. Die Menschen von Shikoku betrachten die Pilger so, als wären sie mit Kukai persönlich unterwegs und stecken ihnen regelmäßig Kaki-Früchte, Snacks, Getränke und in manchen Fällen sogar ein bisschen Geld zu, um sie auf ihrer Pilgerschaft zu unterstützen. Eine wunderbare Gelegenheit, mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt zu kommen und sich auszutauschen.

Am meisten erlebt man natürlich, wenn man den gesamten 1.200 km langen Pilgerpfad ganz traditionell zu Fuß beschreitet, was allerdings etwa 6 Wochen in Anspruch nimmt. Aus diesem Grund gibt es heutzutage auch Pilger, die Teile der Strecke mit dem Auto oder mit der Bahn zurücklegen. Man muss aber auch nicht unbedingt den ganzen Pilgerweg auf einmal laufen. Die Tempel sind zwar nummeriert, aber die Reihenfolge, in der man sie besucht, ist nicht festgelegt. Daher bietet es sich für Reisende mit weniger Zeit wunderbar an, eine Mini-Pilgerschaft mit einzuplanen. Manche Abschnitte des Shikoku Henro sind problemlos an einem Tag zu schaffen. Hier stellen wir nur einige der vielen Highlights vor, die es zu entdecken gibt.

Weil es auf dem Koyasan so viel zu entdecken gibt, empfiehlt sich eine Übernachtung in einem der zahlreichen Tempel. Zu den Highlights dieses besonderen Erlebnisses gehört das Shojin Ryori-Dinner, welches seinen Ursprung in der vegetarischen Küche der Mönche hat. Shojin Ryori wurde den Besuchern des Koyasan serviert und bis zur Perfektion weiterentwickelt, worin es sich von der simplen Nahrung der Mönche unterscheidet. Verschiedene Arten von Gemüsen, Pilzen und Sojaprodukten werden gekocht, gebraten, gedünstet, frittiert und mit einer derartigen Liebe zum Detail angerichtet, dass man meint, man hätte ein Kunstwerk vor sich und nicht sein Abendessen. Auch sollte man auf keinen Fall die morgendliche Andacht mit buddhistischer Liturgie verpassen, für die sich das frühe Aufstehen lohnt. Viele Tempel bieten auch Einführungen in die Meditation an, bei denen man den Alltag hinter sich lassen und ganz zu sich kommen kann.

Die Pilgerschaft beginnt

Obwohl die Reihenfolge der Tempel nicht genau eingehalten werden muss, beginnen viele ihre Pilgerschaft auf Shikoku mit Tempel Nr. 1, Ryozenji. Der Tempel befindet sich in der Präfektur Tokushima, die von Wakayama aus bequem mit der Fähre erreicht werden kann. Hier bekommt man auch alles, was man für seine Pilgerschaft braucht. Die typische Pilgerkleidung mit dem weißen Baumwolloberteil, dem Seggehut, dem Wanderstab, welcher Kukai als ständigen Wegbegleiter des Pilgers verkörpert, und die wagesa, eine Schärpe, die man sich um den Hals legt und die symbolisch für die Robe buddhistischer Mönche steht. Wichtig ist auch das nokyocho, das Pilgerbuch, in das man an jedem Tempel, den man besucht, einen Stempel und eine kunstvolle Kalligrafie erhält. Ryozenji ist außerdem bekannt für die vielen goldenen Laternen, die in der Haupthalle von der Decke hängen.

Grandiose Aussichten in den Bergen von Tokushima

Tempel Nr. 21 ist Tairyuji, der umgeben von uralten Zedern und Zypressen tief in den Bergen von Tokushima liegt. Ein Besuch lohnt sich schon alleine für die wunderschöne Landschaft. Durch seine Lage galt der Tairyuji als einer der schwieriger zugänglichen Tempel, aber seit der Eröffnung der Seilbahn im Jahr 1992 ist der Zugang deutlich leichter geworden. Kukai vollzog in seiner Jugend in diesem Tempel ein spezielles Training, bei dem er 100 Tage lang jede Nacht auf einem Felsvorsprung saß und ein Mantra rezitierte, bis er es eine Millionen Mal wiederholt hatte. An dem Ort, an dem er diese unglaubliche Übung praktizierte, sitzt nun eine Statue von ihm, sodass man auf dem ersten Blick meinen könnte, er wäre immer noch dort, um für das Wohl aller fühlenden Wesen nach Erleuchtung zu streben. Wer kletterfreudig ist, kann den Felsen bis zu der Statue erklimmen, wo sich einem zur Belohnung für die Mühe eine umwerfende Aussicht bietet. Bei gutem Wetter kann man bis zur über 17 km entfernten Seto-Inlandsee schauen.

Erkunde das abgelegene Iya-Tal

Auch abseits der Pilgerpfade gibt es in Tokushima einiges zu entdecken. Das Iya-Tal bietet wunderschöne, abgelegene Naturlandschaften. Es gilt als eine der am wenigsten erkundeten Regionen Japans. Bereits vor Jahrhunderten zogen sich besiegte Krieger hierher zurück, um Zuflucht vor ihren Verfolgern zu finden. Ihre Spuren sind bis heute sichtbar. Öffentliche Transportmittel sind zwar zum Teil vorhanden, aber am besten nutzt man einen Taxiplan, um kosteneffektiv die entlegenen Bergdörfer, abenteuerliche Lianenbrücken und versteckte heiße Quellen zu erkunden.

Der Geburtsort von Kobo Daishi Kukai

Zentsuji liegt in der Präfektur Kagawa, im Norden der Insel Shikoku, und ist Tempel Nr. 75 auf dem Shikoku Henro. Er wurde von Kukai selbst an seinem Geburtsort errichtet und hat daher eine besondere Bedeutung für die Anhänger der Shingon-shu, wovon schon allein die beachtliche Größe des Tempelareals zeugt. Im östlichen Teil befindet sich die eindrucksvolle fünfstöckige Pagode und die Haupthalle des Tempels, welche Ende des 17. Jahrhunderts erbaut wurde.

Die Miedo Halle steht im westlichen Teil des Tempels. Sie ist der Ort, an dem die morgendlichen Andachten gehalten werden und wo die Pilger Kukai ihren Respekt zollen. In der Halle befindet sich außerdem der Eingang zu einem etwa 100 Meter langem Gang, der direkt unter der Stelle entlangführt, an der Kukai geboren worden sein soll. Im Inneren des Ganges ist es stockduster, was das Durchqueren zu einem meditativen Erlebnis werden lässt.

Buddhistische Küche auf Französisch

Wer bereits auf dem Koyasan das Vergnügen hatte, Shojin Ryori zu genießen oder sich vielleicht, nach einigen Tagen in Japan, nach ein wenig vertrauteren Geschmäckern sehnt, der kann im Restaurant Le Paysan, in der Nähe des Zentsuji, eine westliche Variante der buddhistischen Küche probieren. Das Restaurant serviert französisches Essen, das ganz nach den Regeln des Shojin Ryori zubereitet wird, was im Übrigen nicht nur den Verzicht von tierischen Lebensmitteln, sondern auch den von stark riechenden Pflanzen, wie Knoblauch oder Zwiebeln mit einschließt, da diese die Sinne anregen und den Mönchen damit das Meditieren erschweren könnten. Der Chefkoch hat jahrzehntelang experimentiert, bis er mit seinen Kreationen zufrieden war. Das Ergebnis ist ein einzigartiges Menü, das einen nichts vermissen lässt und auf ganzer Linie überzeugt.

Japanische Gartenkultur in Takamatsu

Auch die Präfektur Kagawa, die landesweit für seine Bonsai-Kultur und dicken Udon-Nudeln bekannt ist, hat dem Besucher jenseits der Pilgerwege viel zu bieten. Der weitläufige Ritsurin Garten in Takamatsu lädt zu einem beschaulichen Spaziergang ein. Ursprünglich wurde der Garten vor fast 400 Jahren für den lokalen Feudalherren angelegt. Heute ist er als wichtiges Kulturgut anerkannt. Er besteht aus sechs Teichen und dreizehn landschaftlich gestalteten Hügeln vor der grünen Kulisse des Berges Shiun. Saisonale Blumen und eintausend sorgfältig gepflegte Pinienbäume schaffen eine prächtige Landschaft, die sich im Laufe der Jahreszeiten verändert, sodass sich ein Besuch zu jeder Zeit lohnt.

Egal, ob man den gesamten Shikoku Henro beschreiten möchte oder nur einen kleinen Teil, ob zu Fuß, mit dem Fahrrad, der Bahn oder dem Bus, der berühmteste Pilgerweg Japans ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Man kann einen unbekannten Teil Japans entdecken, Land und Leute auf eine einzigartige Weise kennenlernen und in die spirituelle Welt des legendären Mönchs Kobo Daishi Kukai eintauchen. Eine einzigartige Reise, auf der man nicht nur eine einzigartige Region Japans, sondern vielleicht auch sich selbst ein bisschen besser kennenlernt.


 

Dieser Beitrag wurde von Thomas Siebert für Lonely Planet in Zusammenarbeit mit Shikoku District Transport Bureau, Kagawa Prefecture Tourism Association und Wakayama Tourism Bureau erstellt. Lonely Planet handelt redaktionell unabhängig und unparteiisch.

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