Alte Kulturen entdeckenEl Mirador: Guatemalas mysteriöse Maya-Ruine

La Danta ist mit etwa 70 Metern die höchste bekannte Pyramide der Maya-Welt und eine der höchsten Pyramiden weltweit - (Von Geoff Gallice from Gainesville - El Mirador, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10595320)
La Danta ist mit etwa 70 Metern die höchste bekannte Pyramide der Maya-Welt und eine der höchsten Pyramiden weltweit - (Von Geoff Gallice from Gainesville - El Mirador, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10595320)

Guatemala ist berühmt für seine eindrucksvollen Maya-Ruinen von Tikal. Noch bedeutender, geheimnisvoller und zugleich unerforschter aber ist die uralte Maya-Hauptstadt El Mirador.

Die unvergleichlichen Schätze, die tief im Dschungel von Petén in Guatemala verborgen sind, bieten einen faszinierenden Einblick in die Vergangenheit, in die versunkene Welt der Mayas.

Im Dschungel von Petén liegt das eigentliche Zentrum der untergegangenen Hochkultur mit der höchsten Pyramide der Mayas verborgen. Der Besuch der vergessenen Maya-Hauptstadt El Mirador in Guatemala erfordert Zeit, sorgfältige Planung und auch Geld. Wer den Aufwand auf sich nimmt, wird umso mehr belohnt. Erst seit 2008 werden Ausgrabungen durchgeführt. Noch ist der Besuch der geheimnisvollen Stadt aufwendig.

Die versteckten Ruinen sind noch nicht touristisch erschlossen. Sie sind somit ein echter Lonely Planet - im Gegensatz zur berühmtesten Maya-Stadt Tikal, die jedes Jahr von mehr als hunderttausend Touristen überrollt wird. El Mirador bietet die einmalige Chance, eine der beeindruckendsten Juwelen der Maya-Kultur in dem Zustand zu entdecken, den die Archäologen und Forscher gerade erst zu entschlüsseln beginnen.

Über den Baumwipfeln

"Nächstes Mal mache ich die Wanderung", sage ich mir, als der Hubschrauber abhebt, eine Sekunde lang knapp über dem Boden schwebt, bevor die Rotoren auf Vollkraft gehen und er dann Richtung Himmel steigt. Die siebentägige, beschwerliche Wanderung durch den unberührten Dschungel, an deren Ende die Ruinen stehen, unternehmen nur wenige Leute. Selbst aus dem nächstgelegenen Dorf Carmelita sind es noch zwei Tage Fußmarsch.

Die Maya sind auf ebendiesen Weise gewandert, entlang von Straßen, die den Dschungel gleich Spinnweben durchzogen, sogenannte "scabe". Das Verkehrssystem, das mit 17 Straßen auf insgesamt 240 Kilometern Länge El Mirador mit den Orten der Gegend verband, gilt als erstes Landstraßennetz der Welt. Heute ist es, wie auch die meisten Ruinen, längst vom Dschungel überwuchert. Ein Hubschrauberflug, so cool er auch sein mag, mutet ein trotzdem ein bisschen wie Schummeln an.

Als wir uns über die Baumgrenze erheben, belohnt mich der Anblick des Petén-Itzá-Sees und ich bin froh, dass ich mich für diese Option entschieden habe. Die Farbe des Wassers ist Türkis, gemischt mit allen Schattierungen von Grün, die sich nahe dem flachen Ufer ins Gelbe färben. Der Flug dauert fast eine Stunde vom Aeropuerto International Mundo Maya in Flores bis zur Ruine, also lehne ich mich zurück und beobachte, wie die Felder weniger werden, die Höfe verschwinden und dann ist es nur noch Dschungel. Endloser, tiefgrüner Dschungel, soweit ich sehen kann.

Der Blick auf El Mirador

In der Ferne liegt etwas zwischen den Baumwipfeln. Der Kegel am Horizont wird immer größer, je näher wir kommen. Ich öffne das Fenster und halte die Kamera bereit. Der Pilot nickt und zeigt auf den Punkt, dem wir entgegenfliegen. Dort liegt es: El Mirador.

Nach neuesten Berechnungen ist La Danta die größte bekannte Pyramide der Maya-Welt und damit eine der größten weltweit. Die auch "der Tapir" genannte Pyramide ist sogar höher als die Sonnenpyramide von Teotihuacán in Mexiko und massiver als die Cheops-Pyramide von Gizeh in Ägypten. An ihrem Scheitelpunkt breitete sich die einst große Zivilisation der Maya aus, die nur von der ebenso großen und ebenso verlassenen "Schwester" hinter der mexikanischen Grenze mitgetragen wurde: der Tempelanlage von Calakmul.

Da es im Dschungel keine echte Wasserquelle und nur wenige natürliche Ressourcen gibt, haben die Wissenschaftler immer noch nicht vollständig erforschen können, wie die riesige Maya-Anlage mit ihren 35 Einzelgebäuden in El Mirador entstehen konnte.

Gegenwärtig gibt es keine Tempelanlage, die weiter entfernt von jeglicher Zivilisation liegt, keine ist geheimnisumwitterter und zugleich vergessener. El Mirador wurde nur durch Zufall von Waldarbeitern gefunden, die durch die schier endlosen Dschungelabschnitte auf der Suche nach Bäumen wanderten, um nach natürlichem Gummisaft zu klopfen. Das war im Jahr 1926. El Mirador geriet danach jedoch zunächst wieder in Vergessenheit.

Erst 2003 begannen die Archäologen und Forscher mit den Ausgrabungen an der Ruine, die nur etwa sechs Kilometer südlich der mexikanischen Grenze liegt. Bis jetzt wurde nur ein Bruchteil der komplexen Anlage ausgegraben.

Der Hubschrauber dreht scharf zur Seite und wir setzen auf einer grasbewachsenen Lichtung auf, die von oben nicht größer aussah als eine Badematte. Als die Rotorblätter zum Stehen kommen, steigen wir aus. Das erste, was ich höre, ist … gar nichts. Keine Autos in der Ferne. Kein Hupen. Keine Motoren. Nur Waldgeräusche - das Surren der Zikaden, der Wind, der durchs Laub streift, der weit entfernte Schrei eines Vogels.

Ich habe gerade mal vier Stunden Zeit in der Ruine, bevor der Hubschrauber zurückfliegt. Nach einer kurzen Einführung meines Führers stapfen wir gemeinsam etwa anderthalb Kilometer über schlammige Waldwege, um La Danta zu erreichen. Die beeindruckende, hoch aufragende Pyramide, die wir aus der Luft gesehen haben, liegt inmitten des Urwaldes versteckt.

Die neu ausgegrabenen Abschnitte offenbaren ein geheimnisvolles, verschlungenes Fries aus dem Jahr 300 vor Christus. Es zeigt das Brüderpaar Hunahpú und Ixbalnqué, die "Heldenzwillinge", die nach dem Mythos der Maya-Schöpfung die Herren von Xibalba, der Unterwelt, besiegten. Auf beiden Seiten befinden sich flache Wasserbecken, von denen die Archäologen vermuten, dass sie das Wasser darstellen, durch das die Zwillinge geschwommen sind.

Es scheint beinahe etwas unheimlich, solche kunstvollen Schätze an einem Ort zu sehen, der noch immer mit Erde bedeckt und von Pflanzen und dichtem Wurzelwerk überwuchert ist. In diesem Augenblick scheint es mir wie eine Warnung an unsere Zivilisation. Auch unsere Errungenschaften könnten dereinst so der Vergessenheit anheimfallen.

Der Schatten des Waldes kühlt, trotzdem bin ich nach etwa 15 Minuten schweißgebadet. Der Führer weist auf die zahlreichen Nussbäume hin. Deren Ernte war nicht nur ein Grundnahrungsmittel der alten Mayas, sondern dient auch heute noch in den Dörfern der Umgebung als wichtige Nahrung. Im Urwald regen sich hunderte von schillernden Vögeln, die unsere Wanderung begleiten.

Nach einem steilen Anstieg tauchen vor unseren Augen die kreuzförmigen Muster auf, die in die Jahrhunderte alten Chicle-Bäume geschnitten sind. El Miradors majestätische Pyramide La Danta liegt direkt vor uns.

Der Aufstieg zum Pyramidengipfel

Im Gegensatz zu den Pyramiden von Gizeh, die ununterbrochen aus dem Sand aufsteigen, sind die Pyramiden von El Mirador abschnittsweise aufgebaut.

Zuerst klettere ich auf eine ziemlich breite Basis, die immer noch völlig im Dschungel begraben liegt. Ohne den Hinweis des Führers hätte ich nie gedacht, dass dies der menschengemachte Sockel der Pyramide ist. Von dort geht es bis zu einem Mittelteil, der sich schon eher wie eine Pyramide anfühlt, obwohl er noch weitgehend überwachsen ist.

Keuchend und schwitzend, aber in großer Erwartung sehe ich schließlich den letzten Abschnitt vor mir. Er ist so weit ausgegraben, dass man die einzelnen Steine ​​durch die Bäume sehen kann.

Wie viele Ruinen in Guatemala verfügt auch diese über eine steil nach oben führende Holztreppe, welche die Steine ​​vor Zerstörung schützt. Auf halbem Weg bin ich über der Baumgrenze und kann auf die Weite des Dschungels hinaus sehen. Noch ein paar Minuten und ich bin oben angekommen, auf dem windigen, sonnenbeschienenen Scheitelpunkt der Pyramide mit 360-Grad-Sicht. Das Land ringsherum ist noch unberührt und gehört dem Jaguar, dem Ozelot, dem Tapir, den Nasenbären und flatternden Truthähnen. Unvorstellbar, das hier allein in El Mirador einst an die 200.000 Mayas gelebt haben.

Welche Aussicht über den Dschungel und hinab auf die gigantische Stadt mag sich den Priestern und Königen geboten haben, die vor mehr als 2.000 Jahren an dieser Stelle standen?

Irgendwo im Norden liegt hinter der unsichtbaren Grenze zu Mexiko die Maya-Stadt Calakmul. Sie ist an klaren Tagen mit einem Teleskop oder einem guten Fernglas zu sehen. Zwischen den Baumwipfeln lassen sich weitere Unebenheiten in der Landschaft erkennen - auch das sind Ruinen. Mehr als 80 Städte und Siedlungen haben in der näheren Umgebung gelegen, die allesamt über das ausgeklügelte Straßennetz mit der Hauptstadt El Mirador verbunden waren.

Ich esse auf der Spitze der Pyramide mein Mittagessen und bin demütig, hier zu sein. Ich fühle die gleiche Ehrfurcht, die ich bekomme, wenn ich einen dunklen Nachthimmel starrte und die unendliche Weite der Sterne sehe. Mit all den Fotos und der drückenden Hitze hat es etwas länger gedauert, als wir gedacht hatten. Der Himmel zieht sich allmählich zu und wir müssen zurück, was ich sehr bedauere. Die vier Stunden sind viel zu schnell vergangen. Beim nächsten Mal werde ich mehr Zeit mitbringen, das schwöre ich mir. Nächstes Mal werde ich durch den Dschungel wandern.

Flug nach El Mirador:

T AG Airlines - Hincapie Ave & 18th Street, Zona 13, Ciudad Guatemala 01013 +502 2380-9400 (Guatemala-Stadt); +502 4218-5485 (Flores, Petén)

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Deutsche Fassung: Ines Wagner
Original-Artikel: Ray Bartlett / Lonely Planet international

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