Alleine in den Urlaub fahren? Für viele Menschen unvorstellbar! Reisebloggerin Christine aus Berlin muss das nicht nur berufsbedingt tun – sie empfindet diese Art der Auseinandersetzung mit sich selbst in fremden Kulturen vor allem als Bereicherung.
Zugegeben, als Teenager fand ich es anfangs auch merkwürdig, wenn sich mein großer Bruder alleine auf den Weg ans Meer machte. „Hat der keine Freunde?“ Doch, hatte er – und noch viel mehr, nämlich das Wissen, wie schön es sein kann, die Welt auf eigene Faust zu entdecken. Er war meine Inspiration, ihm habe ich es zu verdanken, dass ich mit Anfang 20 meine erste Solo-Reise buchte.
Zurück gekommen bin ich mit vielen schönen Erinnerungen, interessanten Bekanntschaften und einem Selbstbewusst-sein so groß wie der Eiffelturm. Ein bisschen Mut gehört sicher dazu, wenn man sich ohne Begleitung auf den Weg macht, aber wer seine Komfortzone verlässt, wird in vielerlei Hinsicht belohnt.
 
Egal ob mit Partner, Familie oder Freunden – zu zweit oder mehreren muss man stets die Wünsche und Befindlichkeiten der anderen berücksichtigen. Manchmal kann das mächtig in die Hose gehen, denn nur weil man im Alltag ,best friends‘ ist, heißt das noch lange nicht, dass man auch im Urlaub auf einer Welle schwimmt. Anstatt am Strand zu schmollen und sich über Kompromisse zu ärgern, kann man sich beim Alleinreisen seine Träume erfüllen und bekommt eine ganz andere Wahrnehmung auf die Dinge. 
Einfach mal nicht sprechen, sondern nur schauen, riechen, hören und  den Gedanken freien Lauf lassen ... Klar, wenn man nicht abgelenkt ist,  wird man auch mit unangenehmen, anstrengenden Dingen konfrontiert. Noch  nie habe ich so viel über mich selbst, meine Stärken und Schwächen,  meine Hoffnungen und Ängste gelernt wie bei meinen Solo-Trips. 
Was  nach so einer Reise bleibt? Die Gewissheit, dass man (fast) alles  meistern und mit dem Chaos im Leben zurecht kommen kann. Ich stand  einmal nachts um 12 Uhr am Flughafen in Kiew, hatte unverschuldet den  Weiterflug verpasst und sollte jetzt die Nacht zwischen zwielichtigen  Gestalten am Terminal ausharren. Dank meines Vertrauens, dass doch noch  alles gut wird, habe ich einen netten, englischsprachigen Mann  getroffen, der sich für alle Fluggäste eingesetzt hat und schließlich  bewirkte, dass wir ein Hotelzimmer bekamen. Das musste ich mir dann zwar  mit einer wildfremden Frau teilen, aber statt sich vorzustellen, was  alles passieren könnte, bin ich mit Neugier an die Sache rangegangen.  Und siehe da, nach dieser Nacht hatte ich eine nette, neue  Bekanntschaft, die mich sogar zu ihrer Familie nach Russland eingeladen  hat. 
Ich weiß auch noch, wie verzweifelt ich war, als ich mitten  in Tokio stand und kein Taxifahrer meine ausgedruckte Hoteladresse in  Englisch verstand. Weil mir auch sonst niemand helfen konnte, hieß es  kreativ werden: Ich zeigte auf die Telefonnummer und hielt meine Faust  mit ausgestrecktem Daumen und kleinen Finger an meine Ohrmuschel. Für  den Taxifahrer war klar, was zu tun ist, nämlich bei der Rezeption  anrufen und sich die Adresse durchgeben lassen. Jede Herausforderung,  die ich alleine meistere, lässt mich ein Stück wachsen. 
Natürlich  gibt es auch ein paar No-Gos für Neulinge. Beispielsweise würde ich  beim ersten Mal nicht in den tiefsten Busch oder in andere  jottweedee-Regionen ohne Handyempfang fahren. Ein touristisch gut  angebundenes Ziel, in dem man sich auf Englisch verständigen kann, macht  die Sache um einiges einfacher. 
Bei der Unterkunft sollte man  vorher klären: Will man die absolute Ruhe und von keinem angesprochen  werden? Dann ab in ein Honeymoon-Resort. Ansonsten sind neben Hostels  auch Homestays eine tolle Sache. 
Und bitte keine Angst davor  haben, in einem Restaurant alleine am Tisch zu sitzen. Ich liebe es  inzwischen! Weil ich in Ruhe die anderen beobachten kann und alles viel  intensiver wahrnehme. Außerdem ist ein gutes Buch die beste Begleitung  zum Essen. 
Damit gar nicht erst Langeweile aufkommt, empfehle  ich, etwas Neues auszuprobieren. Eine Sprache, einen traditionellen  Kochkurs, Surfen, Klettern … auf diese Weise lernt man automatisch  andere kennen. 
Und noch einen Tipp: Wer sich einen Müllsack  schnappt und ein Beach-Cleanup macht, wird 100-prozentig von  Einheimischen angesprochen. Die sind total begeistert von solchen  Aktionen, packen mit an und laden danach noch den Fremden auf einen Tee  ein. Oder man kommt mit anderen neugierigen Touristen ins Gespräch. 
Kurz,  für mich ist das Alleinreisen immer bereichernd, deshalb gehören solche  Trips auf die To-Do-Liste fürs neue Jahr. Aber Vorsicht, es macht  süchtig!
				
		
	
Text: Christine Neder, Fotografie: Christine Neder, Lilies-Diary.com
				
		
	
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