ThailandNeujahr ist Waschtag

©Matt Munro
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Wer die sonst so ruhigen Thais einmal außer Rand und Band erleben will, reist am besten im April zum thailändischen Neujahrsfest Songkran nach Chiang Mai im Norden. Ein großer Spaß!

"360 Tage im Jahr sind die Thais höflich und respektvoll. Dann kommt das Neujahr"

Die Thais sind 360 Tage im Jahr super respektvoll und höflich“, sagt Athirath Arun - yaka verdutzt, als könne er nicht glauben, was er um sich herum auf den Straßen von Chiang Mai sieht. Er schüttelt sich wie ein Labrador nach einem Ausflug an den Baggersee, doch es ist sinnlos: Kaum hat er sich von einer Lage Feuchtigkeit an Kopf und Kleidung befreit, folgt schon der nächste Angriff … splash!!! Bevor Athirath wieder klar sehen kann, ist die Wasserwerferin, eine junge Frau mit knalloranger Spielzeug- Pumpgun im Anschlag, bereits wieder in der Menge verschwunden. Wummernder Thai-Techno, lautes Geschrei und Gelächter überlagern die Szene. Athirath schaut der Übeltäterin gespielt wütend hinterher und hebt den Arm. Doch dann grinst er amüsiert. Schließlich ist der Handwerker genau deshalb mit seiner Familie aus Bangkok ins rund 680 Kilometer nördlich entfernte Chiang Mai gereist: um zu sehen, was mit seinen sonst so anständigen Landsleuten los ist. Dann nämlich, wenn sie im April Songkran feiern, das thailändische Neujahrsfest, und aus diesem Anlass alles und jeden nass spritzen, der nicht bei drei unter dem Schirm ist. Chiang Mai gilt in Thailand als Hauptstadt dieser hemmungslosen Feierlichkeiten und hat für Songkran in etwa die gleiche Bedeutung wie Köln für den Karneval. Nirgendwo geht es zwischen dem 12. und 16. April in Thailand so hoch und wild her wie hier. Da stellen sich dem gemeinen Westeuropäer natürlich einige Fragen: Was hat es mit dieser Wasserspritzerei auf sich? Wieso feiern die Thais Neujahr gleich drei beziehungsweise sogar vier Tage lang, je nach Region und Ausdauer? Und wieso tun Sie das mitten im April?

Wie so oft in Thailand hat dieses merkwürdige Wasserritual einen spirituellen Hintergrund, der aber im Zuge der fröhlichen Straßenfeiern immer mehr vergessen wird: Das Wort Songkran stammt aus dem Sanskrit, heißt so viel wie „Übergang“ oder „Voranschreiten“ und steht für das Eintreten der Sonne in ein neues Tierkreiszeichen. Im spirituellen Sinne ist das Fest eine Zeit, in der auf Vergangenes zurückgeblickt und der Start in etwas Neues gefeiert wird. Aus diesem Grund beginnt Songkran schon ein paar Tage vor dem offiziellen Neujahrstag mit einer Reinigung. Und zwar einer Reinigung von so ziemlich allem. Erst putzt die normale Thai-Familie ihr Haus, bis alles glänzt und blitzt. Das geschieht im Vorfeld des eigentlichen Festes bei den meisten Familien am 12. April (anders als in anderen Religionen wird Neujahr nicht am ersten Tag des kalendarischen Jahres gefeiert, sondern mitten im April). Am ersten Tag der offiziellen Feierlichkeiten, in der Regel am 13. April, steuern die meisten Familien dann erst mal einen der zahlreichen Tempel an, um dort Lebensmittel und andere Dinge zu opfern. Traditionell wird als Opfergabe weißer Reis verwendet, aber auch Obst ist beliebt. Anschließend steht eine andere wichtige Komponente des Songkran auf dem Programm: Die Statuen im Tempel – in erster Linie die des Buddhas – werden vor Ort mit Wasser übergossen. Auf diese Weise sollen sie vom Ärger und Abrieb des vergangenen Jahres gereinigt werden. In manchen Gegenden hat es sich sogar eingebürgert, dass Buddha-Statuen – so weit sie beweglich sind – im Rahmen festlicher Prozessionen durch die Stadt geschleppt werden. 

Text: Tim Moore, Deutsche Bearbeitung: Olaf Heise, Fotos: Matt Munro

Was man in Thailand unternehmen kann, erfährst Du in der Januar-Ausgabe 2018 des Lonely Planet Traveller.

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