Naher OstenAbenteuer Saudi-Arabien - unterwegs mit einer weiblichen Reiseleiterin

Seit 2019 vergibt Saudi-Arabien Visa an Touristen - das arabische Königreich öffnet sich erstmals für Reisende. Wir verraten, was es alles zu entdecken gibt.

Den Wüstenstaat Saudi-Arabien zu bereisen und dabei von einer Frau geführt werden entspricht nicht so ganz dem Bild, das wir uns von dem Königreich auf der Arabischen Halbinsel machen. Warum eigentlich nicht? Es ist Zeit, Vorurteile beiseite zu schieben und das atemberaubend schöne Land und seine sagenhafte Kultur zu entdecken. Los geht’s.

Als ich in Riad ankam, während die Strahlen der Morgensonne den Sand orange-rot färbten, war ich mir nicht ganz sicher, was mich erwarten würde. Zu unterschiedlich waren die Erzählungen, die ich zuvor gehört hatte. Auch Warnungen waren darunter gewesen: lange Schlangen am Einreiseschalter, langwierige Kontrollen. Aber nichts davon passierte. Ich gelangte problemlos innerhalb von zehn Minuten durch die Passkontrolle. Das Handgepäck wurde noch einmal gescannt, und schon stand ich vor der Tür des Flughafens wie an allen anderen Orten, die ich zuvor bereist hatte. Könnte meine Reise vielleicht sogar ein Präzedenzfall werden, der das Drehbuch, das viele für eine Saudi-Arabien-Reise möglicherweise im Kopf haben, neu schreibt?

Ich habe mich auf meiner ersten Tour durch das Arabische Königreich in die Hände von The Roads of Arabia begeben. Damit betrete ich Neuland, denn Saudi-Arabien hat zum ersten Mal in seiner Geschichte Ende 2019 mit der Erteilung von Touristenvisa begonnen. Während die meisten für Tourismus relevanten Branchen noch in den Kinderschuhen stecken, leistet die Saudi Commission for Tourism and National Heritage (SCTH) mit diesem Unternehmen Pionierarbeit. Wenn ich einen von meinen Geschlechtsgenossen dominierten jungen Tourismussektor erwartet habe, bin ich angenehm überrascht, bei einer Gruppe unternehmungslustiger saudischer Frauen zu landen. An meinem ersten Tag genieße ich libanesische Köstlichkeiten im neuen Leila Restaurant auf dem Oud Square des Diplomatenviertels - gemeinsam mit Mounera Almayouf und Manahel Alharbi von Roads of Arabia und meiner Führerin, Eman Aldeghaither.

Bei ausgezeichnetem Quinoa-Taboulé, Auberginen-Fatteh und meinen persönlichen Favoriten, mit Jibneh-Käse gefüllten Blätterteigröllchen, sprechen wir über die anhaltende Transformation Saudi-Arabiens durch Reformen, die Kronprinz Mohammad bin Salman im Rahmen eines ehrgeizigen Konzeptes mit dem Titel "Saudi Vision 2030" verabschiedet hat. Die Veränderungen sind in allen Bereichen bereits spürbar: Noch vor fünf Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass drei Frauen auf einer Terrasse eines öffentlichen Platzes mit einem Mann zu Mittag essen, der mit keiner von ihnen verheiratet ist.

Dass eine neue Epoche begonnen hat, ist auch in meinem Hotel, dem neu erbauten Marriot Diplomatic Quarter, zu spüren. Dort befindet sich das erste gemischtgeschlechtliche Fitnesscenter des Landes. Es wird während meines Aufenthaltes zu einem Ort, an dem ich meinen Körper fordere, damit der köstliche Labneh, dem ich kaum widerstehen kann, sich nicht auf der Waage niederschlägt.

Nach dem Mittagessen schwingt sich Eman hinter das Steuer ihres Autos, um uns durch die Gegend zu fahren. Auch das zählt zu den Reformen in Richtung modernes Saudi-Arabien: Erst seit 2017 dürfen Frauen Auto fahren - sechs Monate hat Eman für den Führerschein die Schulbank gedrückt.

Wir fahren in die Innenstadt und zur historischen interessanten Festung Al Masmak. An diesem Ort führte der junge Emir Ibn Saud im Jahr 1902 vierzig saudische Rebellen, die seit dem Fall des zweiten saudischen Staates im Jahr zuvor aus Kuwait verbannt waren, zu einem Angriff, bei dem Riad und die Festung erfolgreich von der rivalisierenden Rashidi-Dynastie zurückerobert wurden.

Das war der Auftakt etwa drei Jahrzehnte andauernder Kämpfe, die schließlich zur Gründung des dritten saudischen Staates - des heutigen Saudi-Arabien - führten. Die drei Touristikerinnen und ich sind uns einig, dass die Tore der gesamten Festung nicht nur beeindruckend verziert sind, sondern auch ziemlich cool aussehen.

In der Nähe stoßen wir auf den Souq Al Zel Haraj, ein Erlebnis mit "Wow!"-Effekt. Auf diesem quirligen Basar wird in täglichen Auktionen um nahezu alles gefeilscht, was man sich vorstellen kann - egal, ob es Antiquitäten wie alte Dolche, Teekannen oder Münzen sind oder ein Staubsauger. Während es lautstark zugeht, wenn die Händler ihre Waren anpreisen, um die Käufer zu überzeugen, Dinge zu kaufen, die sie eigentlich gar nicht brauchen, wird am Tee genippt und ein Schwätzchen gehalten.

Der Duft von Bukhoor weht durch die Luft. Die aromatischen Holzspäne werden in traditionellen Weihrauchbrennern, die Mabkhara heißen, verbrannt. Mounera und Manahel statten mich derweil in einem nahegelegenen Geschäft mit der traditionellen Kopfbedeckung der saudischen Männer aus, dem berühmten rot-weiß karierten Tuch, der Ghutra. Ich entscheide mich schließlich dennoch gegen den Kauf, vielleicht nicht überraschend, es passt einfach nicht recht zu meinem Hurley-T-Shirt.

Weitere Reisehöhepunkte folgen. Imposant ist der Blick auf das nächtliche Riad aus 300 Metern Höhe von der Sky Bridge. Die maßstabsgetreuen Modelle der größten Moschee der Welt, Al Masjid Al Haram in Mekka, der heiligsten Stadt des Islam, und Medinas Prophet's Mosque beeindrucken mich im modernistischen National Museum. Näher als dort werde ich ihnen allerdings nicht kommen, beide Orte sind für Nicht-Muslime unzugänglich. Wir erleben gemeinsam eine Nacht mit hervorragender lokaler Küche und einem traditionellen Jalsah-Konzert auf dem Riyadh Boulevard, einer Art temporärem Pop-up-Mall-Festival mit Restaurants, die so gut gebaut sind, dass man es für unmöglich hält, dass sie irgendwann wieder abgerissen werden sollen. Auch das ist Saudi-Arabien.

 

Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg nach Al-'Ula, einem riesigen, geschichtsträchtigen Tal etwa 400 Kilometer nordwestlich von Medina und zugleich wichtigster touristischer Spot des Königreichs. Die Oase Al-'Ula entspricht dem biblischen Dadan und war Hauptort des lihyanischen Reiches und zählt somit zu den herausragendsten archäologischen Regionen des Landes.

Die Landschaft ist voller imposant geformter roter Sandsteinfelsen, antiker Grabstätten, historischer Lehmsiedlungen, großartiger Monumente - und einer der spektakulärsten Orte der Welt, von dem ich zugegebenermaßen zuvor noch nie etwas gehört hatte. Nach dem Besuch der Ruinen von Dadan, des beeindruckenden Aussichtspunkts Harrat 'Uwayrid und dem Al Ula Heritage Village mit seinen traditionellen Handwerkstätten erwartete uns schließlich bei einem Sister Sledge/Kool and the Gang-Konzert in der Wüste eine weitere unerwartete Überraschung auf dieser unglaublichen Reise.

Beim Einschlafen, beinahe wie in einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht im Shaden Resort, dachte ich noch einmal an den gestrigen nächtlichen Besuch im filmreifen Salwa-Palast in der alten Stadt Dir'iyah. Der ursprüngliche Palast der königlichen Familie Al Saud, der zum UNESCO-Weltkulturerbe des Distrikts At-Turaif gehört, ist voller malerischer Paläste, Moscheen und Lehmhäuser im Najdi-Baustil. Der Komplex, den 1818 einfallende Osmanen zerstörten, wurde aufwändig restauriert. Zukünftig soll er vier Museen beherbergen (Diriyah Museum, Militärmuseum, Arabian Horse Museum und Saudi Daily Life Museum), wenn er schließlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Derzeit dürfen nur VIPs hineinschnuppern.

Während ich dort war, hielt ich einen Moment inne - an diesem dramatisch von Flutlichtern beleuchteteten und atemberaubenden Ort - und mir wurde plötzlich klar, warum ich hier bin: Ungeachtet des Nachholbedarfs hinsichtlich der Menschenrechte und der saudischen Geopolitik ist offensichtlich, dass man hier versucht, den Tourismus zu entwickeln, indem man ernsthaft die Geschichte nacherzählt, anstatt die Seele des Landes als Disneyland-Stadtbild zu verkaufen.

Und diese faszinierende Geschichte von der Wiege der Zivilisation bis zu den Reformen des sich modernisierenden Saudi-Arabien muss einfach weitererzählt werden -  hierbei ist Lonely Planet genauso gefordert wie der Rest der Reisewelt - als kraftvolle Inspiration für Veränderungen.

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Original-Artikel: Bryon Broich/Lonely Planet international

Deutsche Fassung: Ines Wagner

 

Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit dem saudischen Tourismusministerium erstellt und verfasst, um die Politik von Lonely Planet zur redaktionellen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit widerzuspiegeln.

 

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