NorddeutschlandInselparadiese in Nord- und Ostsee

Strandkörbe am weißen Sandstrand von Sylt © Michael Thaler / Shutterstock

Inseln sind ein besonderer Sehnsuchtsort für Reisende: Ihre begrenzte Geographie erweckt das romantische Gefühl, dem Alltag komplett entflohen zu sein – selbst wenn die Insel nur wenige Kilometer vom Festland entfernt liegt. In Deutschland weiß man, dass es dazu keine Reise ans Mittelmeer oder in die Karibik braucht. Azurblaues Meer, weiße Strände und endlose Weite suchen Reisende hierzulande seit jeher direkt vor der Haustür.

Ungefähr 50 Inseln in Nord- und Ostsee gehören zu Deutschland. Fast alle sind ruhige und unberührte Naturschutzgebiete. Die zwei Meere unterscheiden sich dabei im Charakter durchaus. Während an der Nordsee oft eine steife Brise weht und die Wellen mitunter höher sind, ist die Ostsee ein geschützt liegender Riese mit ruhigeren Wassern und einer gelasseneren Atmosphäre.

Die einzelnen Inseln sind wiederum so unterschiedlich, dass es sich auch für Nord- und Ostsee-Erfahrene lohnt, neugierig zu bleiben und weitere der Naturparadiese zu erkunden. Wir stellen euch vier einzigartige Inseln vor, deren Besuch sich lohnt. Die Auswahl ist natürlich nicht vollständig: Weitere Tipps findet ihr zum Beispiel in Lonely Planets 500 einmalige Erlebnisse Deutschland. Einen Auszug aus dem eBook gibt es zum Start von Best in Europe 2017 gratis zum Download.

Sylt – die mondäne Schöne

Wegen des Rufs als rauschende Sommersiedlung für die Schönen und Reichen wird Sylt oft mit Martha’s Vineyard oder Saint Tropez verglichen. Und ja, es gibt sie, die glamourösen Bars wie die legendäre Sansibar oder die schicken Michelin-prämierten Restaurants wie den Söl’ring Hof, und es sind tatsächlich überdurchschnittlich viele brandneue BMWs und Ferraris unterwegs. Aber Sylt bietet so viel mehr. Sylt ist lang, schmal und durch einen Eisenbahndamm mit dem Festland verbunden, und es bietet alle Voraussetzungen für einen typischen Sommerurlaub.

Über 40 Kilometer puderiger, dünenumsäumter Strand machen es einfach, an einem einsamen Plätzchen eine Decke auszubreiten und die Seele baumeln zu lassen. Die windumtobte Westküste zieht Weltklasse-Windsurfer an, die am jährlich stattfindenden Weltcup teilnehmen, während die geschützte Ostseite bei Ebbe den schlammigen Meeresboden zum Vorschein bringt. Barfuß durchs Watt spazieren, das ist ein Highlight für jeden Sylt-Aufenthalt.

Andere Ausflugsziele auf der Insel sind die wie Zuckerstangen gestreiften Leuchttürme, jahrhundertealte reetgedeckte Friesenhäuser und eine geheimnisvolle 5000 Jahre alte Steinzeit-Grabkammer. Dem Charme der nördlichsten deutschen Insel erliegt man schnell – kein Wunder, dass sie auch als „Königin der Nordsee“ bezeichnet wird.

Helgoland – die Felseninsel

San Francisco hat Alcatraz, Deutschland hat seinen eigenen ‚Felsen‘ – obwohl sich auf diesem nie ein Hochsicherheitsgefängnis befand. Helgoland liegt rund 70 Kilometer vom Festland entfernt auf einem winzigen, windgepeitschten Stückchen rotem Sandstein, das wie ein wellenumspülter Ayers Rock aus dem Wasser ragt. Die Bootsfahrt hierher ist nichts für einen empfindlichen Magen, aber all das ist vergessen wenn man die fast mystisch angehauchte Insel betritt – beziehungsweise die zwei Inseln: Helgoland wurde an Silvester 1720/21 von einem gigantischen Sturm auseinandergerissen.

Helgolands Geschichte ist so bunt wie die Reihe bunter Fischerhäuschen, die den kleinen Hafen säumen. Bis 1807 war es dänisch, dann wurde es nach den Napoleonischen Kriegen an Großbritannien abgetreten, nur um 1890, im Austausch für die afrikanische Insel Sansibar, an Deutschland zu fallen. Dieser Tausch sollte sich für Großbritannien als Fehler herausstellen: In beiden Weltkriegen nutzte Deutschland die strategisch günstige Lage der Insel aus.

Heute zieht es vor allem Tagesausflügler von Hamburg, Bremerhaven und Cuxhaven nach Helgoland, die dort Duty-free-Schnäppchen machen und den berühmten Hummer kosten. Aber nur wer ein bisschen mehr Zeit dort verbringt, wird wirklich die frische Luft (die Insel ist autofrei) und das dank dem Golfstrom äußerst milde Meeresklima genießen können. Berühmteste Sehenswürdigkeit ist die Lange Anna, ein 47 Meter hoher Felsen, der aus dem Meer ragt. Es gibt außerdem einige Bunker und Ruinen aus dem zweiten Weltkrieg zu erkunden, und eine wieder steigende Zahl Kegelrobben.

Rügen – der bodenständige Alleskönner

Rügen ist Deutschlands größte Insel und bietet so viel Natur, Geschichte und Architektur wie manch kleines Land. Die Ostseeinsel wird von 60 Kilometern Sandstrand umsäumt und gewinnt derzeit bei naturhungrigen Berlinern an Beliebtheit (die Hauptstadt ist nur 300 Kilometer entfernt). Doch Rügen schaut bereits auf eine lange und ereignisreiche Geschichte als Ferieninsel zurück. Bismarck, Einstein, Thomas Mann gehören zu den intellektuellen und wohlhabenden Berühmtheiten, die vor dem zweiten Weltkrieg hier ihren Urlaub verbrachten.

Ein noch früherer Fan der Insel war der berühmte romantische Maler Caspar David Friedrich, der Rügens geheimnisvolle Schönheit in seinen düsteren Landschaftsporträts gekonnt einfing. Zu seinen Lieblingsmotiven zählten die berühmten Kreidefelsen, die im Norden der Insel steil ins jadegrüne Meer abfallen. Ebenso leuchtend weiß sind die verschnörkelten Holzverzierungen an den Villen, die seit seiner Glanzzeit im späten 19. Jahrhundert die Strandpromenade in Binz, Rügens größtem Badeort, säumen.

Zeitsprung in die 1930er, als die Nazis Prora erbauten: Es handelt sich um eine hässliche und doch faszinierende Touristen-Anlage, die als Vergnügungsort für 20.000 Parteitreue dienen sollte, aber nie vollendet wurde. Nach Jahrzehnten des Verfalls wird der Gigant nun langsam in einen luxuriösen Erholungsort umgewandelt, eine Entwicklung, die manche kritisch sehen, von anderen jedoch als Zeichen gedeutet wird, dass Deutschland sich von seiner dunklen Vergangenheit befreit.

Fehmarn – die sonnenverwöhnte Familieninsel

Quizfrage: Wo gab Jimi Hendrix sein letztes Konzert? Antwort: beim Love-and-Peace-Festival, das im September 1970 auf Fehmarn stattfand. Während die Insel im Ausland wohl hauptsächlich dafür bekannt ist, ist die baltische Schönheit bei deutschen Urlaubern schon lange für ihre unberührte Natur und die gelassene Atmosphäre beliebt.

Fehmarn ist über eine 963 Meter lange Brücke mit dem Festland verbunden und einer der sonnigsten Orte in der gesamten Bundesrepublik. Seine 78 Kilometer langen breiten Strände, die sanft ins Meer abfallen, sind gerade bei Familien sehr beliebt, während Fotografen vor allem im Frühling lohnenswerte Motive finden, wenn die Hügel mit kanariengelben Rapsblüten überzogen sind.

Vogelbeobachter trudeln das ganze Jahr über ein und üben sich im Umgang mit ihren Ferngläsern, wenn Zugvögel wie Reiher, Reiherenten und Rothalstaucher auf der Insel weilen. Perfekte Wind- und Wasserbedingungen haben außerdem dafür gesorgt, dass Fehmarn als Mekka für Kitesurfer bekannt ist und dass hier regelmäßig Wettbewerbe stattfinden, wie zum Beispiel der prestigeträchtige Kitesurf World Cup.

Veröffentlichung: Juni 2017, deutsche Bearbeitung: Sarah Uhrig / Lonely Planet Deutschland

 

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