SchottlandOrkney: Eine Wanderung zwischen den Jahrtausenden

Die Klippen rund um Yesnaby - (Foto: Stephan Goldmann)
Die Klippen rund um Yesnaby - (Foto: Stephan Goldmann)

Im Norden Schottlands liegt das Orkney-Archipel. Es besticht durch eine raue aber wunderschöne Natur und reiche Kulturgeschichte. Wir haben die Inseln besucht.

Da steht der Besucher nun mit offenem Mund und blickt am riesigen stehenden Stein hinauf - 5.000 Jahre Geschichte blicken auf ihn zurück. Die Orkney-Inseln im Norden Schottlands beweisen, dass schon die Menschen der Steinzeit großartige Baumeister waren. Sie schufen auf den Inseln Steinkreise, Gräber und Wohnhäuser, die die Jahrtausende überstanden haben.

Das alleine wäre schon eine guter Grund, die Orkneys zu besuchen. Aber da ist ja auch noch die wilde Natur, die sich an der Nahtstelle zwischen Land und Meer zeigt: meterhohe Klippen, steil aufragende Brandungspfeiler, felsige Küsten und dazwischen traumhafte Sandstrände. Natürlich lässt sich die Natur vom Spaziergang bis zur ausgedehnten Wanderung erkunden.

Die Orkney Inseln versprechen eine aufregende Reise durch Natur, Kultur und Genuss. Wir zeigen hier ihre Schönheit.

Faszinierende Steinzeit

Uralte Grabkammern - da denken viele an das Tal der Könige in Ägypten. Dabei stehen im hohen Norden Europas nicht minder gelungene Gräber: Maes Howe zum Beispiel. Es wurde zirka 3.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung gebaut und ist damit einige hundert Jahre älter als die Pyramiden in Ägypten.

Zugegeben: Maes Howe ist nicht ganz so groß und von außen auch eher unscheinbar. Seine Beleuchtung hat es dafür in sich. Denn zur Wintersonnenwende scheint die untergehende Sonne durch den 10 Meter langen Gang und wandert über die Wand des Grabs.


Nicht weit von Maes Howe gibt es weitere Wunder zu sehen. Die vier Standing Stones of Stenness beeindrucken durch ihre schiere Höhe - fast sechs Meter ragt der größte in die Luft. Und gleich nebenan stehen die 36 Steine des Ring of Brodgar - einer ist sogar vom Blitz gespalten.

Zwischen diesen beiden Monumenten verläuft der Ness of Brodgar, eine riesige Anlage, an der die Archäologen noch heute Ausgrabungen durchführen. Fast jedes Jahr erlagen sie hier neue Erkenntnisse über die europäischen Kulturen der Jungsteinzeit. Kein Wunder, dass die UNESCO das gesamte Gebiet als "Heart of Neolithic Orkney" zum Weltkulturerbe erklärt hat.

Trotz vieler neuer Erkenntnisse: Bis heute können die Wissenschaftler noch nicht einmal sicher beantworten, wie die Menschen damals die tonnenschwere Steine transportiert haben, mit denen sie all die Wunder erschaffen haben.

Graffitis der Wikinger

Die nächsten Besucher der Orkneys kamen um zu bleiben. Für die Wikinger war es nur eine kurze Fahrt auf ihren Langbooten von den norwegischen Küsten zu den Stränden Orkneys. Sie unterwarfen die dort lebende Bevölkerung und herrschten für die nächsten Jahrhunderte im sogenannten Earldom of Orkney.

Sogar dem Grab von Maes Howe drückten sie ihren Stempel nachhaltig auf: In Form von Runen-Graffiti im Stein, die die Vorzüge einer bestimmten Dame priesen und natürlich damit angaben, was für tolle Hechte die Verfasser waren.

Später wurden auch die Nordmänner etwas kultivierter. So bauten sie zum Beispiel im 12. Jahrhundert die St Magnus Kathedrale, die zu Recht bis heute ein Besuchermagnet ist.

Noch bis ins 18. Jahrhundert sprachen die Menschen auf Orkney übrigens Norse, eine alte norwegische Sprache. Und noch heute fühlen sich die Orcadier manchmal den Norwegern näher als den Schotten.

Spuren der Weltkriege

Die Wikinger schätzten die Orkneys auch wegen ihres großen Naturhafens Scapa Flow. Hier waren ihre Boote vor der rauen See geschützt. Im 20. Jahrhundert wurde es erneut wichtig, Schiffen Schutz zu bieten - nicht nur vor der rauen See, sondern auch vor dem Feind. Im ersten und zweiten Weltkrieg stationieren die Briten Teile ihrer Marine hier. Doch es waren die deutschen Boote, die hier die größten Spuren hinterließen.

Nach dem Ersten Weltkrieg sollte hier die deutsche kaiserliche Flotte an die Sieger übergeben werden. Doch der Admiral der Flotte zog es vor, diese lieber vor Ort zu versenken. Und so liegen hier noch heute einige Wracks aus dieser Zeit. Zwei Jahrzehnte später war Scapa Flow Stützpunkt für die britische Flotte - doch Schutz bot der Hafen diesmal nicht. Der deutsche U-Boot-Kommandant Günther Prien fuhr unentdeckt nachts in den Hafen ein und versenkte die HMS Royal Oak mit über 800 Matrosen an Bord.

Damit sich das nicht wiederholen würde, beschloss Winston Churchill höchstpersönlich, dass italienische Kriegsgefangene hier Barrieren bauen sollten. Es entstanden die Churchill Barriers, die heute als Dammwege die Inseln verbinden.

Die italienischen Kriegsgefangenen haben übrigens auch etwas Wunderschönes hinterlassen: die Italian Chapel. Auch sie kann heute noch besichtigt werden.

Whisky, Gin und Bier

Wer viel Kultur und Natur erlebt, braucht abends einen guten Tropfen. Auch hier lässt sich Orkney nicht bitten. In den Lokalen der Hauptstadt Kirkwall etwa werden die Biere der lokalen Craftbier-Brauerei angeboten. Legendär ist der sogenannte Skull Splitter, der Schädelspalter. Das Bier schmeckt wirklich außergewöhnlich lecker, erliegt man seiner Versuchung jedoch zu sehr, versteht man den Namen am nächsten Morgen sehr gut.

Natürlich gibt es auf Orkney auch zwei Whisky-Brennereien. Highland Park, die den nordischen Style auch in ihren Logos klar vor sich her tragen, und die Scapa Distillery, die eindeutig über das schönere Setting in der Landschaft verfügt. Beide geben sich, was die Qualität des Whiskys angeht, keine Blöße. Wer lieber mixt, findet in den Gins der Inseln eine gute Grundlage für seine Cocktails. Kirkjuvagr und Orkney Gin.

Schmuck und Handwerk

Was machen die Orkadier während der langen Winternächte (die übrigens oft durch Nordlichter erhellt werden)? Sie pflegen das Kunsthandwerk. So viel, dass es für Besucher sogar einen Craft-Trail gibt. 

Eine echte Erfolgsgeschichte ist die Schmuck-Manufaktur von Sheila Fleet. Hier wird gegossen, gehämmert und emailliert. Die Produkte sind stilvoll in einer renovierten Kirche ausgestellt. Mittlerweile gibt es sogar Filialen über ganz Schottland verteilt. 

Ganz von den Farben der umgebenden Natur lassen sich die beiden Damen von Hume sweet Hume inspirieren, wenn sie Pullover, Jacken, Überwürfe und mehr produzieren.

Ein unverkennbares Design pflegen die Hersteller der Orkney-Chairs. Für diese Korbgeflecht-Stühle wird nur wenig Holz verwendet (auf den Inseln gibt es kaum Bäume) und sie haben eine hohe, teils über dem Kopf geschlossene Lehne, die gegen den harschen Wind schützen soll. Sich einen solchen Stuhl anfertigen zu lassen, kostet allerdings mehrere hundert Pfund.

Es gibt noch viel mehr zu entdecken - vom Essig-Designer, der Starköche beliefert, bis zu bildenden Künstlern und Fotografen. Die Orkneys stecken voller Wunder - aus vergangenen Zeiten und aus heutigen.

Noch mehr Schottland

Der Norden Großbritanniens bietet noch viele großartige Landschaften und einzigartige Bauwerke. Unser Reiseführer zeigt dir die Schönheit Schottlands. 

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Text & Fotos: Stephan Goldmann

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