WienAuf der Suche nach dem perfekten Apfelstrudel

Der Apfelstrudel im fürstlichen „Demel“ in Wiens 1. Bezirk. ©Sonja Priller
Der Apfelstrudel im fürstlichen „Demel“ in Wiens 1. Bezirk. ©Sonja Priller

Österreichs Mehlspeisen sind legendär (lecker). Doch wo gibt's die Allerbesten? Eine Schlemmertour durch Wiens Kaffeehäuser.

Wien ist schön wie eine Schmuckschatulle, aber die bombastischen Habsburger-Schlösser, schicken Kaffeehäuser und berüchtigten schlecht gelaunten Kellner lassen die 1,8- Millionen-Metropole etwas reserviert erscheinen. Apfelstrudel ist jedoch der Eisbrecher, um mit den Einheimischen in Kontakt zu treten. Bringen Sie das Gespräch auf diese berühmte Mehlspeise, und die Wiener fangen an in Erinnerungen zu schwelgen - reden über den Morgen mit ihrer Großmutter in der Küche, über Ellbogen in Fett und Mehl, Zimt und Puderzucker oder sie lassen Tage im frühen Herbst Revue passieren, an denen die Äpfel gesammelt und in dünnen Teigschichten eingerollt wurden. Apfelstrudel lässt Österreicher an ihre Kindheit denken. Jeder Bissen schmeckt nach der Vergangenheit.

Fragen Sie die Wiener nach dem perfekten Strudel und schon geht es los. Sie erhalten hundert verschiedene Antworten, obwohl sich alle über die Elastizität des Teigs, die knusprige Kruste und die sichtbaren Schichten von festen, sauren Äpfeln und dem daneben liegenden Löffel Schlagobers einig zu sein scheinen. Aber der beste Strudel? Das ist wohl eine nicht zu beantwortbare Frage. Oder?

Während ich durch die Hinterhöfe des alten ersten Bezirks schlendere, erwacht Wien langsam. Es ist ein klarer Herbsttag; lange Schatten gleiten über farbenfrohe Jugendstilfassaden und die ersten Café-Besucher lesen auf fast leeren Terrassen Zeitung. Unter dem gotischen Stephansdom sind die Pferdekutschen bereits ordentlich aufgereiht. Trams fahren entlang der Ringstraße, dem schönen Boulevard aus dem 19. Jahrhundert.

Ich beginne meine Suche auf eine etwas andere Art und Weise im "Aida", einem Café im 50er Jahre-Stil, das Apfelstrudeleis serviert. Es wird mir in einem kalten Eis-Coupé gebracht und ist weich und cremig, mit feinem Vanillearoma und sauren Apfelstücken. Köstlich, sogar in der Früh ein Genuss, aber zählt das als echter Strudel? Eher nicht.

Meine nächste Station ist das alteingesessene Kaffeehaus "Café Central", das sich im prächtigen Palais Ferstel in der Herrengasse befindet. Das Schloss im italienischen Stil wurde 1860 von dem jungen Architekten Heinrich von Ferstel erbaut, der gerade aus Florenz und Venedig zurückgekehrt war. In dem interessanten Inneren mit vergoldeten Bögen geistern einige von Wiens gelehrtesten Vertretern umher; Freud kam hierher, um seinen Patienten zu entkommen, und Trotzki plante genau an diesem Ort seinen nächsten revolutionären Schritt. Die Zeitepoche Moderne war im Anmarsch und Wien ging darin auf.

Der Strudel hier kommt so großartig daher wie das Interieur, mit Vanillesoße, Schlagsahne und einer Scheibe getrocknetem Apfel. "Genuss beginnt mit dem Auge", sagt Anna Karnel, die im Central arbeitet. "Es gibt sogar ein österreichisches Sprichwort, dass Apfelstrudel Herzschmerz heilen und Sünden verbergen kann", erzählt sie mit einem Lachen. Von diesem Strudel bekommt man nicht genug: Diese Mehlspeise ist reichhaltig, knusprig und großzügig gefüllt mit gehackten Walnüssen und saurem Granny Smith. Allerdings ist der Calvados für meinen Geschmack etwas zu dominant.

Text: Kerry Christiani, Fotografie: Sonja Priller

Und weiter geht die Suche ...

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