Reisen für Buchwürmer Reisen auf den Spuren der Weltliteratur

Draculas Schloss Bran in Transsilvanien besuchen - bewaffnet mit Buch, Kreuz und Knoblauch - (Foto: ©Cristian Balate/Shutterstock)
Draculas Schloss Bran in Transsilvanien besuchen - bewaffnet mit Buch, Kreuz und Knoblauch - (Foto: ©Cristian Balate/Shutterstock)

Ein Buch im Reisegepäck ist nichts Ungewöhnliches. Wie wäre es da, nicht nur über die Seiten zu streifen, sondern auf den Spuren einer Geschichte um die Welt zu reisen?

Große Literatur kann Orte zum Leben erwecken, die unser Fernweh erregen und unsere Vorstellungskraft beflügeln. Sei es die Geschichte einer Suche nach vergrabenen Schätzen, eines Kampfes gegen die Dämonen in der eigenen Brust oder gegen böse Mächte, eine epische Schlacht oder gefährliche Reise. Brillante Bücher inspirieren uns. Doch wozu beim Lesen langweilig auf dem Sofa hocken? Zwischen Lesen und Reisen lässt sich eine Brücke schlagen, die neue Blickwinkel öffnet.

Wer Abenteuer sucht, sich aber nicht recht entscheiden kann, wohin die Reise gehen soll, lässt sich einfach von zeitloser Weltliteratur inspirieren. Die Protagonisten laden dazu ein, ihre abenteuerliche Heldenreise an Originalschauplätzen nachzuspielen. Es gibt nichts Besseres, als einen Klassiker im Taschenbuchformat genau dort nachzulesen, wo seine Handlung verortet ist - und den Geheimnissen auf die Spur zu kommen.

Auf Odysseus’ Spuren segeln

Für die meisten Fernreisenden besteht das Abenteuer des Heimweges in einer mehrstündigen Auswahl von Filmen im Bordkino. Nicht so bei Odysseus, dem Helden in Homers Odyssee. Da waren die Oscar-reifen Abenteuer beinahe eine echte "neverending Story". Ganze zehn Jahre dauerte seine Rückkehr aus der Schlacht bei Troja, samt kolossaler Stürme, menschenfressender Monster und gefährlicher, schöner Sirenen. Wer die Route von Odysseus über die griechischen Inseln nachreisen möchte, aber weniger als ein Jahrzehnt Zeit zur Verfügung hat, konzentriert sich auf den letzten Abschnitt seiner langen Heimkehr.

Die Reise durch Griechenland beginnt in den hübschen Dörfern Korfus, wo Odysseus die gastfreundlichen Phaeacianer getroffen haben soll. Das Schiff, das ihn nach Hause transportieren sollte, wurde vom rachsüchtigen Poseidon in Stein verwandelt und befindet sich noch immer als Inselchen von Pontikonisi in der Bucht. Weiter geht es nach Paxi, einer ruhigen Insel, von der einige behaupten, dort habe die Hexengöttin Circe die Hälfte der Crew von Odysseus in Schweine verwandelt. Die Segeltour endet in Ithaki, der Heimat Odysseus'. Der große Held der griechischen Antike begrüßt noch immer seine Besucher am Hafen - als Bronzefigur. Die hügelige Insel zwischen Kefallonia und dem Festland verzaubert Reisende mit ihren antiken Ruinen, malerischen Häfen und romantischen Spaziergängen durch die Wildnis. Auch wenn die Rückkehr von Odysseus nach zehn heroischen Jahren schon weit zurückliegt, scheint die Zeit auf der Insel noch heute stillzustehen.

Der Prolog: Direktflüge nach Korfu gibt es von Athen aus, Fähren von Igoumenitsa. Auch von Korfu fahren regelmäßig Fähren nach Paxi und weiter nach Ithaki (über Lefkada).

Dem Ich auf dem Pacific Crest Trail begegnen

"Waldbaden" gilt seit langem als Wohltat und Medizin, denn der Aufenthalt im Wald stärkt die mentale Gesundheit. Die Autorin Cheryl Strayed testete die Stärke der aus Japan stammenden Theorie in ihren Memoiren "Wild". Nach dem Tod ihrer Mutter kämpfte sie mit der Drogensucht. Schließlich verkaufte sie alles, was sie besaß, um allein entlang des Pacific Crest Trails durch die USA zu wandern. Das hat ihr das Leben gerettet. Auf ihrem 1.000 Meilen (ca. 1.609 Kilometer) langen Weg entlang des Trails überwand sie ihre Dämonen - zusammen mit Rekord-Schneefällen, streunenden Wildtieren, dem Verlust von 15 Kilogramm Gewicht und etlicher Zehennägel.

Der Pacific Crest Trail, der sich über die gesamte Länge der amerikanischen Westküste windet, ist sicherlich kein Spaziergang im Park. Wer Cheryls Reise zur Selbstheilung nachgehen oder einfach durch einen Querschnitt des Westens der USA wandern möchte, startet am besten in der Nähe der Stadt Mojave in Kalifornien. Von dort aus führt der Weg Richtung Norden durch verbrannte, orangefarbene Wüstenlandschaften in die schneebedeckte High Sierra, bevor es über die Wildnis von Oregon bis Washington geht - Cheryls auserwähltem Endpunkt.

Der Prolog: Der einfachste Weg, Mojave zu erreichen, ist der Bus von LA nach Bakersfield und weiter per Amtrak nach Mojave. Selbstfindung in Europa? Ganz einfach "Ich bin dann mal weg" sagen und den Jakobsweg auf den Spuren von Hape Kerkeling gehen.

Die Suche nach der Schatzinsel starten

Robert Louis Stevensons Schatzinsel ist ein Klassiker der Weltliteratur und zählt in England zu den beliebtesten Kinder- und Jugendbüchern schlechthin. Die Geschichte erzählt von der Reise des jungen Gastwirtsohnes Jim Hawkins. Er bricht aus England auf, um einen legendären Schatz zu suchen, der auf einer weit entfernten, geheimnisvollen Insel begraben liegt. Obwohl Stevenson die Lage der Insel bewusst vage gehalten hat, spricht einiges dafür, dass der Schatz auf Cocos Island in Costa Rica vergraben liegt. Tatsächlich soll es eine echte Schatzinsel sein. Der britische Händler Captain William Thompson hat Aufzeichnungen zufolge Anfang des 19. Jahrhunderts dort einen Schatz aus Lima in Peru vergraben. Obwohl es dennoch unwahrscheinlich ist, über Gold zu stolpern, ist die Insel ein Juwel für erfahrene Taucher. Der Reichtum der Unterwasserwelt, zu der Haie, Rochen und Delfine gehören, ist faszinierend.

Der Prolog: Obwohl Jims Hawkins Reise in den baufälligen Kaschemmen von Bristol in England beginnt, ist es praktischer, Cocos Island vom Festland Costa Ricas aus anzusteuern. Tauchboote fahren vom Hafen in Puntarenas ab. Auf bis zu zehntägigen Tauchsafaris lässt sich sicher der eine oder andere Schatz der Unterwasserwelt entdecken.

Mit Inspector Poirot durch den Orient reisen

Was Fernzüge anbelangt, kann das Reisen durchaus abenteuerlich sein: das Rollen durch unbekannte Landschaften, das Quietschen der Bremsen, das Rattern der Räder, der durchdringende Schrei eines Mordopfers im Zentrum einer verworrenen Verschwörung. "Mord im Orient Express", eines der berühmtesten Werke der britischen Schriftstellerin Agatha Christie, präsentierte den Glamour europäischer Zugreisen einer breiten Öffentlichkeit. Im Zentrum steht die Geschichte des fiktiven Detektivs Inspector Hercule Poirot auf der Suche nach einem Mörder an Bord des Orient-Expresses.

Leider wurde der ursprüngliche Orient-Express, auf dem die Protagonisten des Romans von Istanbul nach Calais unterwegs waren, im Jahr 2009 eingestellt. Aber entschlossene Eisenbahnliebhaber, die mit dem beruhigenden Klicken der Gleise und dem Buch Agatha Christies unterm Kopfkissen einschlafen möchten, können den größten Teil der Reise mit Nacht- und Fernzügen nachstellen.

Beim Start in Istanbul darf der Besuch im Pera Palace Hotel nicht fehlen, wo Agatha Christie einen Großteil des Buches geschrieben hat. Von dort geht es mit dem Nachtzug Richtung Bulgarien weiter bis nach Sofia. Es lohnt sich, einen kurzen Blick auf die Zwiebelkirchen der Stadt werfen, bevor die Reise mit dem Morgenzug nach Belgrad in Serbien weitergeht. Von hier aus gibt es eine direkte Verbindung nach Wien, weiter nach Paris und von dort nach einem kurzen Zwischenstopp zum Frühstück bei Tiffanys weiter nach Zürich. Die Fahrt kostet heute nur noch einen Bruchteil der Fahrkarte von Poirot - und sollte zudem deutlich ungefährlicher sein.

Der Prolog: Der Expresszug nach Sofia fährt jede Nacht vom Bahnhof Halkali in Istanbul ab, der vom Stadtzentrum leicht mit dem Bus oder Taxi erreichbar ist.

An Richards Seite nach dem Inselparadies suchen

Bevor das Wort "Übertourismus" überhaupt ausgesprochen wurde, gab es den Roman "The Beach" von Alex Garland. Er widerspiegelte die Problematik des kommerziellen Tourismus und die Suche nach Authentizität des Reisens brillant zwischen den Seiten. Der Roman, der Mitte der 90er Jahre in Thailand spielt, konzentriert sich auf den britischen Rucksacktouristen Richard. Durch mangelnde Abenteuer vom Banana Pancake Trail enttäuscht, folgt er einer geheimnisvollen Karte zu einer versteckten Insel, auf der eine Gruppe Aussteiger in einer idyllischen, nahezu autarken Community lebt. Der Topos des Films ist die Suche nach und die Vertreibung aus dem Paradies. Auch die Verfilmung mit Leonardo DiCaprio zeigt ein verheißungsvolles, aber fragiles Idyll und weckt neben der Sehnsucht nach dem Garten Eden auch die Abenteuerlust.

Die Reise auf den Spuren des Romans beginnt in den wackligen Herbergen der legendären Khao San Road von Bangkok. Nach einem kühlen Chang-Bier sollten Reisende, die Richards Bedürfnis nach einer einsamen Insel teilen, mit dem Nachtzug nach Süden Richtung Surat Thani fahren. Von dort aus geht eine Fähre nach Ko Samui, der einst angesagten Hippie-Enklave, die rasch zu einem Hotspot wurde. Von hier aus fahren Boote in den traumhaft schönen Ang Thong Marine National Park, in dem Richards versteckte Utopie liegt. Kein Wunder, dass die rund 40 zerklüfteten Dschungelinseln mit ihren versteckten Lagunen und smaragdblauen Wasser die Fantasie des Schriftstellers beflügelten, einen solchen Kultroman zu schreiben.

Der Prolog: Die wichtigsten Flughäfen der Welt haben Direktverbindungen zum Flughafen Suvarnabhumi in Bangkok. Dort angekommen, können Reisende einen Bus oder ein Taxi nehmen, um die sagenumwobene Straße zu erreichen, in der das Abenteuer startet.

Frankensteins verdammter Reise durch Europa nachspüren

Reisen ist für viele die ultimative Form der Realitätsflucht und nirgends ist dieser Gedanke greifbarer als in Mary Shelleys Horrorklassiker Frankenstein. Inspiriert von eigenen Reisen durch Europa und in einem verregneten Sommer ans Haus gefesselt, schrieb die Autorin ihren Roman. Er handelt von dem begabten Wissenschaftler Victor Frankenstein, der aus toter Materie ein Monster kreiert, das ihn verflucht und quer durch Europa verfolgt.

Während Frankenstein kein traditioneller "Reiseroman” ist, zeigt Victors Flucht vor seiner Kreatur eine beeindruckende Liste von Schauplätzen. Startpunkt ist der bayerische Großraum um Landshut, wo er das Monster zum Leben erweckt. Danach folgen die Berge von Genf in der idyllischen Schweiz, wo sich Schöpfer und Kreatur wieder treffen. Weiter geht die Reise bis zu den nebligen, geheimnisvollen Orkney-Inseln in Schottland, wo der Wissenschaftler versucht, eine Partnerin für Frankenstein zu erschaffen. Schließlich endet die spektakuläre Reise am Nordpol. Sehenswert ist auch die Burg Frankenstein im Odenwald, die Shelleys Meisterwerk inspiriert haben soll.

Der Prolog: Von München dauert die Reise mit dem Zug nur etwa 30 Minuten bis nach Landshut. Zur Burg Frankenstein liegt der Startpunkt in Frankfurt, von dort sind es nur 40 Minuten mit dem Auto.

Best in Travel 2019

Du weißt noch nicht genau, wo die Reise hingehen soll?

Die besten Reiseziele 2019 findest du hier.

Text: Ines Wagner

Original-Artikel: Jack Palfrey/Lonely Planet international

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