Der perfekte TripTschechien

Idylle: Der Fluss Kamenice in der Edmundsklamm ist ein Nebenfluss der Elbe und zieht im Sommer viele Besucher an, ©Jonathan Stokes
Idylle: Der Fluss Kamenice in der Edmundsklamm ist ein Nebenfluss der Elbe und zieht im Sommer viele Besucher an, ©Jonathan Stokes

Erlebe die schneebedeckten Wälder der böhmischen Bergregionen und bewundere vernebelte Turmspitzen im ganzen Land. Wer genauer hinschaut, wird die unerwarteten Seiten des kleinen Binnenlandes entdecken – von wiederbelebten Nachbarschaften in der Hauptstadt bis hin zum einzigartigen Brünn mit seiner lässigen Food- und Partyszene.

Wandern, Rad fahren und klettern im abenteuerlichen Gebiet der Böhmischen Schweiz

Der Schnee knirscht unter unseren Füßen, als wir über den Boden einer dunklen Schlucht streifen. Hoch über uns glitzert goldenes Sonnenlicht, doch die Wärme kann die rostbraunen Farne, moosigen Stämme und schillernden Eiszapfen hier unten nicht erreichen. „Stopp“, sagt unser Guide Sven Czastka, der plötzlich nicht mehr neben mir, sondern rund 1,5 Meter hinter mir steht.

Während sich nur seine Augen bewegen, steht er völlig starr und sucht die Gegend über uns ab. „Könnt ihr das hören?“ Ich lausche und schüttele den Kopf. „Ruhe!“, sagt er überschwänglich. „Ruhe ist die schönste Belohnung hier unten und unheimlich wertvoll.“

Gemeinsam mit seiner Frau Petra unternimmt Sven Wanderungen in der Böhmischen Schweiz – einer Schluchtenlandschaft mit kunstvoll vom Wetter geformtem Sandstein, die tatsächlich nach zwei Schweizer Künstlern des 18. Jahrhunderts benannt wurde. Die waren einst zu Besuch und erkannten eine Ähnlichkeit mit ihrer Heimat. Mitten durch die Gegend verläuft die Elbe, einst eine wichtige Handelsroute für den Transport von Gütern zwischen Hamburg und Prag, heute aber ohne Schiffe in fast unheimlicher Ruhe. Sven und Petra leiten hier „Enthusia“. Der Anbieter für Aktivtouren ist auf Wanderungen und Radtouren, Klettersteige, Klettertouren sowie Bootsfahrten spezialisiert.

„Seit meiner Kindheit habe ich gern in diesen Wäldern übernachtet“, sagt Sven. „Petra ist der zum Glück vom gleichen Schlag. Es ist hier wirklich magisch, besonders im Winter.“ Die Region grenzt an Deutschland und passenderweise an die Sächsische Schweiz. Bevor der Eiserne Vorhang fiel, war es gefährlich, zwischen den Ländern zu reisen.

„Heute überquere ich ständig die Grenze, aber den kalten Schweiß von damals spüre ich noch immer im Nacken“, erzählt Sven. „Diese Dinge lässt du nicht so leicht zurück.“ Der Grenzübergang mag heute zwar problemlos passierbar sein, doch der Unterschied zwischen den Seiten ist noch immer sichtbar: In Deutschland ist der Tourismus viel weiter entwickelt und der Park gut besucht. Auf unserer Seite zeigt sich allerdings die Natur weitgehend unberührt, bis auf die sorgfältig gepflegten Wege, die sich durch die Täler ziehen.

Die Politik scheint von unserer Wanderung heute weit entfernt. Jenseits der steil abfallenden Schlucht schimmert das Sonnenlicht durch die Kiefern. Der Weg führt an Holzstapeln entlang, von einer dicken Schneeschicht eingebettet. Trotz eisiger Temperaturen, die unsere Nasen und Zehen betäuben, sorgt der Anstieg für innere Wärme. Bald öffnet sich der Wald für Raum und Licht, und plötzlich zeigt sich ein spektakulärer Anblick: ein riesiges Tor aus Sandstein, stolze rund 30 Meter breit und 20 Meter hoch, dessen Unterseite von der sinkenden Nachmittagssonne beleuchtet wird.

Wir genießen den Ausblick und Petra reicht eine Thermoskanne mit heißem Tee herum. Inzwischen kann man den Bogen nicht mehr überqueren, erzählt uns Sven ein wenig sehnsüchtig. Das Pravčická brána (Pravčická- Tor) ist das bekannteste Wahrzeichen des Nationalparks, Europas größter natürlicher Sandsteinbogen. Das hölzernen Gasthaus direkt daneben wirkt wie ein verloren gegangenes Alpenchalet.

Dahinter führt der Weg auf den Fels; von dort erst kann man die Größe des Parks erfassen. Sandsteinspitzen ragen überall in die Höhe und wirken durch den zarten Schneefall, als wären sie sanft mit Puderzucker bestäubt. Vögel ruhen in Felsspalten, während ihre Rufe zwischen den Oberflächen hin und her hüpfen. Die Aussicht erstreckt sich in alle Richtungen. Irgendwo in der Nähe befindet sich eine Landesgrenze – eine Teilung, von längst verstorbenen Funktionären beschlossen. Von dieser Perspektive allerdings sieht man bis zum Horizont nichts anderes als einen Teppich hügeliger Kiefern unter Wattewolken.

Text: Jess Cole, Fotografie: Jonathan Stokes

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