OsteuropaGeheimtipp Kosovo: Eine junge Nation in alter Landschaft entdecken

Kosovos unberührte Rugova-Berge sind ein erstklassiges Wandergebiet - (Foto: © Jakup Jakupi / 500px)
Kosovos unberührte Rugova-Berge sind ein erstklassiges Wandergebiet - (Foto: © Jakup Jakupi / 500px)

Der Kosovo feiert 2018 zehn Jahre Unabhängigkeit. Doch noch immer ist das Land für die meisten Menschen ein blinder Fleck auf der Landkarte. Zeit das zu ändern, denn der Kosovo ist wunderschön. Wir zeigen, wo und warum.

Ein Vorteil: Mit nur ein paar Stunden Flug gelangen Reisende aus allen Himmelsrichtungen Europas in den Kosovo. Und mehr als das: Sie reisen abseits der typischen Touristenrouten in ein nahezu unentdecktes Naturparadies, in eine neue Welt der Abenteuer und kulturellen Erfahrungen, in denen der Geist einer alten Welt schwebt, der in Richtung modernes Europa strebt.

Kosovo, einst eine Provinz des ehemaligen Jugoslawiens ist heute zweitjüngstes Land der Welt, mit Europas jüngster Bevölkerung. Dieses Jahr feiert der Kosovo seinen ersten runden Geburtstag. Und das letzte Jahrzehnt war keineswegs ohne Herausforderungen. Als die Unabhängigkeit der Republik Kosovo am 18. Februar 2008 in der Hauptstadt Pristina erklärt wurde, erkannten sie nur 112 von 193 UN-Mitgliedsstaaten an.

Politische Entscheidungen und Tagesordnungspunkte zeichnen jedoch nur selten das genaue Bild eines Landes, seiner Bewohner und der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Situation. Um das Land und seine Leute verstehen zu lernen, eignet sich das Reisen erheblich besser. Und kaum ein Reisender ist bisher aus dem Kosovo zurückgekehrt, ohne sich in die Gastfreundschaft, die facettenreichen Traditionen und die faszinierende gebirgige Landschaft verliebt zu haben.

Die kleine Republik mit etwa zwei Millionen Einwohnern verfügt über zwei stolze Gebirgszüge. Auch zwei der besten Fernwanderwege Europas kreuzen das Land: Die beeindruckendste Route führt entlang des Peaks of the Balkans Trail, also entlang der Gipfel des Balkans. Sie schließt vom Kosovo aus auch Gipfel in Albanien und Montenegro ein und ist durchaus anspruchsvoll. Den etwa 200 Kilometer langen Bergwanderweg pflegen die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Deutsche Alpenverein (DAV) seit 2013 gemeinsam mit den regionalen Behörden der drei Staaten. Das Projekt ist wirtschaftliche Aufbauhilfe und Friedensprojekt zugleich.

Die "Via Dinarica" durchquert sogar acht Länder – von Slowenien bis Mazedonien. Mehr als ein Dutzend Weinberge liegen malerisch in dieser mit mächtigen Gipfeln ausgestatteten Landschaft. Wer in dieser wahrscheinlich am wenigsten erschlossenen Region Europas wandert, darf sich stolz zur touristischen Avantgarde zählen. Im Sommer verwandelt das DOKUFEST, ein international gefeiertes Filmfestival, die osmanische Stadt Prizren am Rande der Shar-Berge in eine gefeierte Open-Air-Bühne. Und das ist längst nicht alles. Ob Gipfelstürmer oder Filmliebhaber: Wir haben die besten Tipps für euch zusammengestellt.

Abenteuer in den kosovarischen Alpen

Eine Gruppe Bergwanderer steht auf dem 2.656 Meter hohen Gjeravica, auch Jezerca genannt. Er ist der höchste Gipfel des Kosovo und liegt in den "Verwunschenen Bergen", auf Albanisch "Bjeshkët e Nemuna" und "Prokletije" auf Serbisch. Sie gehören zu den Dinarischen Alpen des westlichen Balkans, die sich bis zur Adriaküste erstrecken. Die faszinierende, abwechslungsreiche Gebirgslandschaft reicht von dramatischen, kargen Karstlandschaften über endlose Nadelwälder zu verwitterten, vulkanischen Urgesteinen und weiten saftig-grünen Hochgebirgslandschaften. Tief unter den Bergwanderern schimmernd türkisblaue Gletscherseen. Auf unfassbar grünen Wildblumenwiesen weiden Schafe, gehütet von Schäfern, deren Pfeiftöne die Hänge heraufwehen. Zerklüftete Gipfel füllen das faszinierende Panorama aus. Sie dehnen sich weit nach Westen zu den Grenzen Albaniens und Montenegros, wo sie am Horizont mit dem Himmel verschmelzen.

Traumziel für Individualtouristen und Abenteurer

Die Landschaft mag uralt sein. Die Bergwanderer auf dieser Gipfeltour indes gehören zu einer jungen Generation globaler Abenteurer, die Reisen in der unberührten Natur fernab der üblichen Sehenswürdigkeiten und Touristenrouten lieben. Der touristische Erfolg des Kosovo ist einfach erklärt. Das Land ist ein Traumziel all derer, die nach authentischen Landschaften und Begegnungen, aber auch nach ausgefallenen Routen suchen.

Die zweitägige Expedition zum höchsten Berg des Kosovo beginnt in der jungen Hauptstadt Pristina mit einem Spaziergang durch den Boulevard Nene Tereza samt seinen zahlreichen Bistros und Boutiquen. Die Besichtigung der im Jahr 1461 erbauten kaiserlichen Moschee mit ihrer märchenhaften Architektur bildet einen willkommenen Kontrast dazu. Dann aber lockt der Berg. Die geführte Tour lässt den städtischen Trubel hinter sich und macht sich auf den Weg in Richtung Gipfel Gjervavica durch eine eindrucksvolle Gebirgslandschaft voll atemberaubender Ausblicke. Nachts werden unter einem unvergesslichen Sternenhimmel am Gjeravica-See die Zelte aufgeschlagen und eine Boulder- und Yogastunde am Berggipfel entlohnt für alle Mühen. Das Bergabenteuer endet tags darauf kulinarisch in einem malerischen Bergdorf. Die mit Schafskäse gefüllten Blätterteigtaschen, Flija, schmecken wahrlich unvergesslich. Sie werden handgemacht und direkt über der glühenden Feuerstelle gebacken.

Uta Ibrahimi ist die Gründerin und Inhaberin von Butterfly Outdoor Adventures in Pristina. Nachdem die Yoga-Stunde am Fuße des Gipfels beendet ist, erklärt sie das Konzept so: "Weil wir ein noch junges Land sind und sehr offen und flexibel an diese Art Tourismusmodell herangehen, sind Innovationen auf dem Gebiet in gewisser Weise einfacher." Ibrahimi ist eine Pionierin der Branche. Als erste albanische Frau hat sie den Everest bestiegen und wird jetzt nicht aufhören, bevor sie ihren Fuß auf alle 14 der 8000er-Gipfel der Welt gesetzt hat.

"Kosovo hat Glück, weil wir zwei imposante Bergketten haben", fährt Ibrahimi fort, "wir sind ein Volk mit Abenteuern in den Knochen." Die Gruppe Wanderer blickt vom Gipfel über Albanien und Montenegro. Ihre Bergführerin weist auf die Shar-Berge im Westen. Dort teilt sich der Kosovo eine Grenze auf der Kammlinie mit Mazedonien. "Dort im Westen sin die Berge noch höher, und dort liegt auch das Skigebiet Brezovica", erklärt sie.

Was ihr Konzept so besonders macht? Es ist die bunte Mischung. Beispielsweise ergänzt Butterfly Outdoor Adventure die Bergtouren mit klassischen Sightseeing- und Mountainbike-Touren. Dabei kommen auch die Geschmackssinne nicht zu kurz, denn auch traditionelles Schnapsbrennen oder das Kochen landestypischer Gerichte gehört zum Repertoire, ebenso wie geführte Kletter-, Yoga- und Trekking-Touren. Eine ihrer spektakulärsten Touren führt über eine herausfordernde Klettersteigroute in der Rugova-Schlucht nahe der Stadt Peja/Peć an der Westgrenze des Kosovo.

Kultur trifft auf Leinwand

Kein Ort kann allein vom Abenteuer leben. Seit 2002 schlägt beim DOKUFEST International Documentary and Short Film Festival der künstlerische Puls des Kosovo. Jedes Jahr im August versammeln sich Akteure und Fans der internationalen Filmbranche in der antiken Stadt Prizren. Am Fuße der Shar-Berge wird das größte Filmtreffen des Landes organisiert und gefeiert.

Mehr als 200 Filme werden innerhalb dieses neuntägigen Festival gezeigt. Die ganze mittelalterliche Stadt mit ihren Moscheen, Kirchen und ihrer imposanten Festung wird zu einer Landschaft aus Openair-Leinwänden. Auf ihnen laufen internationale Kurz-und Dokumentarfilme unterschiedlicher Kategorien und Genres. Was nach dem Krieg mangels geschlossener Kinosäle als Notlösung startete, hat sich längst als Glücksfall für die Atmosphäre des Festivals erwiesen. Parallel zum Film finden Kunstausstellungen, Konzerte und Workshops statt. Und natürlich feiert die ganze Stadt eine Woche lang ausgelassen.

Die internationale Strahlkraft der Festivals liegt neben den hochkarätigen Filmen deshalb besonders am ungewöhnlichen Setting des mittelalterlichen Prizren.

Die Wahrzeichen der Altstadt werden zur Kulisse eines großen, von atmosphärischem Mondlicht beschienenen Kinos und von der Festung bis zum Flussufer pulsiert die Stadt Tag und Nacht. Im restaurierten Hamam finden Podiumsdiskussionen statt und an den Stadtmauern werden Fotoausstellungen gezeigt. Wichtig ist aber auch die soziale Dimension des Festivals. Der Enthusiasmus von Organisatoren und Einheimischen spiegelt sich in einer großen Zahl Freiwilliger wider und im begeisterten Engagement in Umwelt- und Menschenrechtsfragen.

"Das Dokufest hat dazu beigetragen, dem Land zu einem viel positiveren Image zu verhelfen. Es ist ein wichtiger Impuls für den Aufbau der neuen Geschichte", sagt Nita Deda, seit 2016 Direktorin des Festivals. Die Vision ist, dass die Kultur auf internationaler Ebene als Hauptbotschafter für das Land wirkt. "Es ist eine Möglichkeit, den Kosovo als das zu sehen, was er tatsächlich heute ist: ein junges, vibrierendes Land voller Talente mit einer faszinierenden Energie der Zusammenarbeit", fügt Deda hinzu.

Reisen in den Kosovo - das solltet ihr wissen

Der Kosovo ist visafrei für Passinhaber aus der EU, Australien, Kanada, Neuseeland, Südafrika und den USA. Zahlreiche Fluggesellschaften bieten regelmäßige Direktflüge an, die Pristina mit europäischen Städten verbinden. Busse hingegen sind die beste Option für Reisen in und aus den benachbarten Hauptstädten des Balkans und für die Reise durch das Land selbst.

Weil die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien nicht anerkannt wird, ergibt sich eine Besonderheit im Reiseverkehr: Wer aus Serbien in den Kosovo einreist, kann problemlos nach Serbien zurückkehren. Reisende nach Kosovo, die aus Albanien, Mazedonien oder Montenegro kommen, können allerdings nicht direkt nach Serbien weiterreisen. Sie müssen zuvor auf ein Drittland ausweichen. Klingt etwas kompliziert, aber wer es vor Antritt der Reise schon einplant, hat vor Ort keine Unannehmlichkeiten.

Noch mehr einmalige Reisen!

Der Kosovo ist ein einzigartiges Reiseziel. Weitere Ideen für ganz besondere Destinationen hat unser Buch "1000 einmalige Reisen" zusammengefasst.

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Deutsche Fassung: Ines Wagner
Original-Artikel: Alex Crevar

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