KolumneEin Hoch auf die Nebensaison!

©Christine Neder
©Christine Neder

Als Reisebloggerin ist Christine aus Berlin rund um die Uhr zwischen Nordsee und den Seychellen auf Achse. Aber am meisten bevorzugt sie die Zeit jenseits der Schulferien. Über die Vorzüge, genau jetzt die Koffer zu packen.

Es gibt sie, die stillen Strände, an denen man ohne Handtuch-Slalom spazieren kann. Es gibt sie, die einsamen Wanderwege, auf denen die Waden von fremden Walking-Stöcken unversehrt bleiben. Und ja, es gibt sie, die Plätze, an denen man es schafft, eine Sehenswürdigkeit zu fotografieren, ohne Horden von Touristen im Hintergrund.

Nach meinem Sommerurlaub im August habe ich mir geschworen, nie wieder zur Hauptsaison zu verreisen. Ich hätte bei 36 Grad Hitze einfach umkippen können, es wäre niemanden aufgefallen - weil ich nämlich gar nicht in die waagerechte Lage gekommen wäre. Die Masse, die sich durch das Bergdorf drückte, hätte mich einfach mitgenommen.

Manche Orte fühlen sich in der Hauptsaison an wie die Front Row beim Metal-Festival. Nur leider steht da nirgends Security, die einen im Notfall rauszieht. Dafür gibt's umso mehr Selfie-Sticks. Und die Preise sind gesalzen wie das Tote Meer. Deswegen: Wer keine schulpflichtigen Kinder hat (oder Lehrer ist), sollte genau JETZT die Koffer packen! Die Strände sind leer, die Wanderwege frei, die Museen in den Großstädten ohne Warteschlangen und auf den Autobahnen heißt es kaum noch stop und meistens go.

Das Schönste, man wird auch noch beim Preis belohnt. Wer sich in der Hauptsaison nur ein 2- oder 3-Sterne-Hotel leisten kann, bekommt fürs gleiche Budget in der Nebensaison mindestens eine Kategorie höher. Nirgends stehen die Chancen so gut wie in diesen Wochen, zum Schnäppchen-Tarif in einem Luxusschuppen einzuchecken und sich das Langschläfer-Frühstück ans Boxspringbett servieren zu lassen. Nachfrage regelt bekanntlich das Angebot. Für das Wasser am Straßenrand geht nicht mehr das halbe Verpflegungsgeld des Tages drauf, auch wenn man es vielleicht gar nicht mehr so dringend braucht, schließlich zeigt das Thermometer wieder angenehme 24 Grad.

Meine schönsten Reisen hatte ich immer in der Nebensaison. Letztes Jahr ging es zum Beispiel im Dezember zum Surfen nach Portugal. Wir hatten ein bezahlbares Haus in bester Strandlage und mussten uns die Wellen lediglich mit ein paar Möwen teilen. Ich bin auch ein großer Fan davon, im Winter an die Nordsee zu fahren. Was gibt es Schöneres, als bei steifer Brise eingemummelt durch die Dünenlandschaft zu laufen und sich danach mit Tee in einer Ostfriesen-Stube aufzuwärmen? Mehr hygge geht nicht. Das entschleunigt, das entspannt, das ist für mich - URLAUB.

Dazu kommen die vielen Ereignisse, die nur im Herbst oder Frühling stattfinden. Etwa der Schafabtrieb im Südtiroler Schnalstal. Das muss man sich wie einen Almabtrieb vorstellen, nur nicht mit Kühen, sondern eben mit Schafen, von denen einige unterwegs noch ein Lämmchen gebären. Wer also authentisch, gemütlich und günstig reisen möchte, der wird die Nebensaison so schätzen wie ich.

Die gibt es übrigens nicht nur in Europa. In Costa Rica beispielsweise gilt die Regenzeit als die unbeliebteste Saison. Ich war da, es hat täglich zehn Minuten geregnet und gut war's. Auch der Besuch des Oman zur Monsunzeit lohnt. An der Südküste zeigt sich die sonst wüstenartige Landschaft in üppiger Vegetation.

Ach, und noch ein Grund, warum wir in der Nebensaison auf Tour gehen sollten. Wir machen ein bisschen mehr Platz für all jene, die leider keine Wahl haben, wann sie ihren Urlaub nehmen können.

Text & Fotos: Christine Neder, Reisebloggerin, lilies-diary.com

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