Hippie-Flair an der kalifornischen KüsteCalifornia Dreamin'

©Kris Davidson
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Vor 50 Jahren brach mit dem „Summer of Love“ in San Francisco eine ganze Generation auf, um gegen die etablierte Gesellschaft zu revoltieren. Ein Relikt dieser Zeit ist das entspannte Hippie-Flair, das man noch heute an der kalifornischen Küste findet. Hier leben Menschen, für die das Peace-Zeichen mehr ist als nur ein Mode- Statement. Eine Spurensuche von San Francisco bis Santa Cruz

Startklar für San Francisco

Mitten im Herzen des Golden Gate Parks, eine der weltgröß ten urbanen Grünanlagen, ist man fernab vom typischen Soundtrack San Franciscos, diesem Mix aus dem Getippe der Techies auf ihren Laptops und dem Lärm des Straßenverkehrs. In der Nähe des Conservatory of Flowers, dem Gewächshaus des Parks aus der viktorianischen Ära, vernimmt man hingegen ganz andere Töne.

An diesem Ort, auch Hippie Hill genannt, sind meditative Beat-Klänge zu hören. Marihuana-Dampf wabert durch die Luft. Vor 50 Jahren wurden der Golden Gate Park und die ganze Gegend um Haight-Ashbury herum zum Epizentrum einer Bewegung, die die Welt verändern sollte. Der „Summer of Love“ erblühte 1967 wie ein Feld wilder Blumen. Zehntausende junger Menschen pilgerten aus ganz Amerika zu diesem Fleckchen, das kleiner als eine Quadratmeile ist. Hier konnten sie das Korsett ihrer biederen Heimatstädte abstreifen, das Flair der Freiheit einsaugen, tanzen, rauchen, meditieren und Bands wie Jefferson Airplane bei kostenlosen Gigs hören.

Am Fuß des Hippie Hills steht noch der Baum, vor dem Janis Joplin für Zaungäste sang. Und immer mal wieder hält ein alter VW Bus neben dem Conservatory of Flowers. So wie jetzt. Hinterm Lenkrad sitzt Mark Souza, der ein T-Shirt mit irgendeinem Bandlogo aus alten Flower-Power- Tagen und darüber ein Samtjacket trägt. Begleitet wird er von seinem Lebenspartner Michael Grauer und fünf Hunden, alles Australian Shepherds.

„Wir sind gekommen, um den Dahlien und dem Sonnenuntergang zu huldigen“, sagt Mark. „Wir genießen die Freiheit, mit unserem Bus loszufahren, wann und wohin immer wir wollen.“ Bohemien-Romantik! Die spürt man auch einen Steinwurf entfernt: In der Haight Street wimmelt es vor Plattenläden, Shops für Kiffer-Zubehör und handgetrockneten Psychedelika. In Kalifornien ist Marihuana legal, Farmer bewirtschaften hektargroße Plantagen, und wer mindestens 21 Jahre ist, darf zu Hause bis zu sechs Cannabis-Pflanzen ziehen.

Mit seiner Gitarre macht sich Kaveh Mahdavi auf zur Bandprobe. Für eine Zigarettenlänge bleibt er vor einem Wandgemälde stehen. Darauf ist der Frontmann von Grateful Dead, Jerry Garcia, zu sehen. Ein Idol. Auch für Kaveh. Der arbeitete für IBM, bevor er sich – wie so viele vor ihm – für ein Leben als Aussteiger entschieden und ein Oneway- Ticket nach San Francisco gelöst hat. „Diese etwas seltsame Gegend mit ihren Ecken und Kanten zieht mich magisch an“, sagt er. „Sie strahlt eine besondere Energie aus.“

Als der „Summer of Love“ vorbei war, endete auch der Hippie-Traum von freier Liebe und Community. Bald schon wurde Haight-Ashbury von Aussteigern überflutet – Kriminalität, Drogen und Sexualkrankheiten hielten Einzug. Einige Aktivisten waren darüber so enttäuscht, dass sie im Oktober 1967 eine Schein-Beerdigung inszenierten, um den Tod des Hippietums zu proklamieren. Nun, fast ein halbes Jahrhundert später, gibt es ein Comeback dieser alten Ideale. Etwa der Schutz der Umwelt oder kreativer Individualismus. Nirgendwo sind
sie greifbarerer als in Kaliforniens Bay Area.

Text: Gabrielle Jaffe, Deutsche Bearbeitung: Andera Bierle, Nadin Lagab, Fotos: Kris Davidson

Den vollständigen Artikel mit allen Stationen in Kalifornien findest Du in der Juli-Ausgabe 2017 des Lonely Planet Traveller.

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WARUM SAN FRANCISCO?

Im Oktober 1966 wurde in Kalifornien die Droge LSD verboten. Kurz darauf versammelten sich mehr als 25.000 junge Leute im Golden Gate Park. Sie forderten bei diesem ersten Human Be-In Liebe, Freiheit und Frieden. Einer der Anführer dieser Bewegung war der bärtige Allen Ginsberg, der Om-Gesänge unter Begleitung einer Kuhglocke anleitete. Gesellschaft leistete ihm der entlassene Harvard-Professor Timothy Leary, der die Menge anflehte „to turn on, tune in, drop out“. Bei dem längst zum Slogan der Gegenkultur gewordenen Ausruf ging es darum, die Fesseln der Gesellschaft zu sprengen, und zwar mit Drogen, von denen man sich Bewusstseinserweiterung versprach. Der Song „San Francisco“ (Be Sure to Wear Flowers in Your Hair) von Scott McKenzie tat sein Übriges: Aus einer Brise wurde ein Sturm von Hippies, die in die Stadt drängten.

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